Was soll denn aus ihr werden?
Verzagtheit.
Vierzehntes Kapitel
Am folgenden Nachmittag trat Dori beizeiten ihren Gang zur Nonna an. Am Fenster der Base Marie Lene schoß sie wie ein Pfeil vorüber, denn Dori begehrte nicht, daß die Base auch zu dem Gespräch bei der Nonna erscheine. Diese schaute ein wenig verwundert auf, als Dori eintrat, doch hieß sie das Mädchen willkommen. Es mußte sich neben die Nonna hinsetzen, und diese fing nun in ihrer behutsamen Weise zu forschen an, ob die Mutter mit ihrer Tochter recht eingehend über die wichtige Angelegenheit gesprochen, und ob Dori denn so schnell einen Entschluß gefaßt habe, daß sie bei ihr erschien, oder ob sie sich noch weiteren Rat holen wollte. Dori fuhr gleich heraus: »O, ich war von Anfang an ganz fest entschlossen, Nonna, daß ich nicht Niki Samis Frau werden will. Ich weiß auch gar nicht, wie ihm so etwas nur in den Sinn kommen kann, wir sind ja immer und in allem ungleicher Meinung, und er hat gewiß nicht mehr Freude, mit mir zusammen zu sein, als ich mit ihm, ich glaube gewiß, aus lauter Langeweile, weil er nicht mehr weiß, was er mit seinem Tag anfangen will, hat er das erfunden.«
»Sprich nicht so unbesonnen«, sagte die Nonna tadelnd, »du zeigst damit nur, wie wenig du weißt, was die Sache ist, die wir zu besprechen haben, und wie wenig ernsthaft du darüber nachgedacht hast, wie gut es darum ist, wenn andere es für dich tun. Du bist auch noch so jung, daß man es dir nicht verargen kann, aber darum mußt du auf die Worte derer hören, die es besser wissen. Siehst du,Dori, die ungleichen Meinungen, von denen du da sagst, werden im Zusammenleben sich immer gleicher, das erfährt man jeden Tag, und je mehr man miteinander erlebt, je mehr kommt dann auch die Freude, immer noch Weiteres miteinander zu erleben. So wird man dann in jeder Weise immer befriedigter und auch immer reifer miteinander, so daß das Ungleiche der frühen Jugend abfällt. Man hat ja miteinander einerlei Leid und einerlei Freud', das kommt dann unwillkürlich. Wenn nur keine Sorgen und schwere Lasten zu tragen sind, sowie Armut und allerlei Mangel, das stört die Eintracht mehr als alles andere. Dort unten habt ihr doch ein recht ärmliches Leben geführt, ich bin so froh für dich, daß du nun auch kennen lernst, was doch für rechte Leute zum Leben gehört, so daß man auch seines Daseins froh und sicher werden kann.«
»O Nonna, kein Mensch kann seines Daseins froher sein, als wir es dort unten in Cavandone waren«, rief Dori jetzt in großer Lebhaftigkeit aus.
»Du hättest immer deutlicher gefühlt, was euch alles mangelt«, fuhr die Nonna bestimmt fort, »du warst noch zu jung, es zu beurteilen. Siehst du, ihr hattet gar nichts, gar keinen Boden unter den Füßen. Was aus den Bildern des Vaters gelöst wurde mit dem Wenigen, das die Mutter von hier bezog, war gerade so viel, daß ihr leben konntet, weiter gar nichts. Dein Vater und deine Mutter mußten unter dem ärmlichen Dasein leiden, aber sie wollten es so.«
»Nein gewiß nicht, Nonna, sie litten gewiß nicht«, warf Dori immer lebhafter werdend ein. »O, sie waren so froh und glücklich, wie man nur sein kann. Ich war nicht zu jung, das zu sehen. Und wir hatten ja gar keinen Mangel, was wir brauchten, hatten wir alles reichlich. O, und wie der Vater noch bei uns war und wir lernten und lasen und sangen, und er malte dort auf den Steinen, wenn es oben durch die Kastanienbäume rauschte – Nonna, es gibt auf Erden kein schöneres Leben, als wir es hatten!O, und wie die Mutter hinter dem Laub auf der Terrasse saß, wenn wir heimkamen, und so froh aussah! Und dann holte sie Kastanien und Trauben und Milch und Butter auf den Tisch, und die Sonne schimmerte zwischen den großen Blättern durch, daß man auf dem Fußboden die Schatten der Blätter so lustig hin- und herwehen sah – o Nonna, wenn ich daran denke.« Dori hatte die glänzenden Augen voll großer Tränen. Das war nun der Nonna nicht recht, sie hatte mit dem Erinnern an das frühere Leben etwas ganz anderes zu erreichen gehofft. Daß diese Erinnerungen so schön in Doris Herzen fortlebten, ja sogar ihre Sehnsucht immer wieder nach dem früheren Leben weckten, hatte sie nicht gewußt. Sie brach schnell ab. »Wir wollen nun nicht mehr von dieser Sache reden heute. Du hast eben die Erinnerungen eines Kindes noch in deinem Herzen, es wird dir mit den Jahren schon alles anders vorkommen. Ich will dir nun noch etwas vorschlagen und ich hoffe, es wird dir und mir zur Freude
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