Was starke Männer schwach macht
Silhouette eines Mannes erkennen. Den breiten Schultern, der muskulösen Brust und der starken Präsenz nach zu urteilen, konnte es sich nur um Tony Veracruz handeln.
Julie bekam sofort Herzklopfen. In den letzten Tagen hatte sie immer wieder an ihn denken müssen, und auch nachts hatte er ihre Fantasie beflügelt – vor allem, da sie gerade nicht besonders gut schlafen konnte.
Aber was sprach schon dagegen, ihn sich nackt vorzustellen? Hauptsache, sie blieb auf Distanz zu ihm. Seine Einladung zum Essen abzulehnen, war genau das Richtige gewesen.
Bloß – was zum Teufel wollte er dann hier?
Julie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als sich über ihr plötzlich die Ecke des Deckenpaneels löste und einen Holzbalken freilegte, der von Termiten nur so wimmelte.
Mehrere der Tiere landeten auf ihrem Kopf.
Einen lauten Schreckensschrei ausstoßend, ließ Julie den Hammer fallen. Sie ruderte mit den Armen, verlor das Gleichgewicht und fiel rückwärts von der Leiter. Doch anstatt mit dem Rücken auf dem Fußboden aufzuschlagen, landete sie sicher in zwei starken Armen.
Wie hatte Tony das nur so schnell geschafft?
Julie brauchte ein paar Sekunden, um sich von ihrem Schreck zu erholen. „Was machen Sie denn hier?“, stieß sie schließlich hervor.
„Ist das eine Art, einen Mann zu begrüßen, der Ihnen gerade das Leben gerettet hat?“
„Bitte, lassen Sie mich runter.“ Julies ganzer Kopf kribbelte nämlich immer noch von den Termiten.
„Sie hätten sich den Hals brechen können“, sagte Tony. „Warum haben Sie sich keine Hilfe geholt?“
„Ach, meinen Sie etwa einen großen starken Mann, weil ich als Frau nicht allein mit Werkzeug umgehen kann?“
„Also, offensichtlich …“
„Ich kann sehr wohl mit Werkzeug umgehen! Oder zumindest konnte ich es, bis mir ein Termitennest in die Haare gefallen ist.“
„Termiten?“
„Auf Ihrem Arm krabbeln auch gerade zwei.“
Hastig setzte Tony sie ab und wischte sich die Termiten vom Arm, während Julie sich die Insekten aus dem Haar schüttelte. Beim Anblick der davonkrabbelnden Tiere lief ihr vor Ekel ein Schauer über den Rücken.
„Haben Sie Insektenspray?“, fragte Tony.
„Ich fürchte, das wird nicht viel nützen.“ Mental fügte sie einen Kammerjäger und teure Reparaturarbeiten zu ihrer Ausgabenliste hinzu. Aber vorerst musste sie sich mit Insektenspray begnügen. Wo mochte es nur sein? Vielleicht im Lagerraum? Julie machte sich auf die Suche.
Tony folgte ihr. „Wollten Sie etwa die Decke abnehmen?“, fragte er.
„Ja. Ich hatte vor, sie zu versteigern, aber ich hatte ja keine Ahnung, dass sich dahinter nur bloße Holzbalken befinden. Wahrscheinlich werde ich sie doch behalten. Ah, da ist ja das Spray! Für krabbelnde und fliegende Insekten. Ich glaube, Termiten sind beides.“
Tony nahm ihr die Dose ab. „Das erledige ich.“ Er kletterte die Leiter hoch und sprühte die Lücke über dem Deckenpaneel ein. „Wissen Sie, die Zinndecke gehört eigentlich zum Ambiente“, sagte er, während rings um ihn herum tote Termiten zu Boden fielen. „Außerdem ist das hier ein historisches Gebäude. Sie können es nicht einfach so verändern.“
Julie brachte sich eilig vor dem Termitenschauer in Sicherheit. „Ich habe das alles schon mit dem Denkmalamt geklärt“, sagte sie. „Solange ich die Fassade intakt lasse, kann ich machen, was ich will. Und eine Zinndecke passt nicht gerade zu dem Ambiente, das mir vorschwebt.“
Die Decke hatte zwar einen gewissen Retro-Chic, aber Julie wollte etwas Vornehmeres. Stuck zum Beispiel. Obwohl – mit einem dezenten blassgelben Anstrich würden die Deckenpaneele vielleicht gar nicht so übel aussehen.
Plötzlich spürte sie, dass sich an ihrem Fuß etwas bewegte und wollte schon panisch danach treten, als sie erkannte, dass es sich um einen Dalmatinerwelpen handelte, der an ihrem Schnürsenkel kaute.
„Entschuldige bitte“, sagte sie zu dem Tier und zog ihren Fuß weg. „Sind wir uns schon begegnet?“
Tony stieg von der Leiter herunter. „Das ist Bluto“, sagte er. „Seine Mom ist das Maskottchen unserer Feuerwache. Ich gehe in meiner Freizeit öfter mit ihm spazieren.“
„Was? Sie dürfen Welpen in der Feuerwache halten?“
„Nur im Zwinger dahinter, und das auch nur vorübergehend. Bis auf Bluto sind alle Welpen weggegeben worden.“
„Haben Sie ihn hergebracht, um ihn mir anzudrehen?“
„Nein, ich habe zufällig gesehen, dass hier noch Licht brennt, und habe spontan
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