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Was starke Männer schwach macht

Was starke Männer schwach macht

Titel: Was starke Männer schwach macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: KARA LENNOX
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ihrem Blick auszuweichen, holte er einen Lappen. Ihr beim Saubermachen zu helfen, war eine gute Gelegenheit, sie besser kennenzulernen. Und umgekehrt. Wenn sie erst einmal merkte, was für ein netter Typ er war, war sie vielleicht eher bereit, sich seinen Standpunkt anzuhören.
    Die zweite Möglichkeit bestand darin, mit ihr zu schlafen. Am liebsten sofort. Eine ziemlich verlockende Vorstellung …
    „Ich frage mich, was Sir Edward wohl von der Behandlung mit Wasser halten wird“, sagte Tony, als er mit dem Säubern begann.
    „Sir Edward?“
    „Der Indianer hier. Ein alter Zigarrenständer. Er gehörte früher mal einem Engländer, der hier einen Tabakladen besaß, aber irgendwann Pleite machte. Als er nicht mehr genug Geld hatte, um seine Rechnungen im Brady’s zu bezahlen, hat Brady – als damals vermutlich Ihr Großvater – den Indianer in Zahlung genommen.“
    Aus dem Augenwinkel beobachtete Tony Julies Reaktion. Fasziniert legte sie den Spachtel auf die Tischplatte, die sie gerade abkratzte. „Wirklich?“, fragte sie. „Wie interessant.“
    Das klang durchaus aufrichtig. Anscheinend interessierte sie sich für Lokalgeschichte. Das würde er ausnutzen.
    „Haben Sie noch andere Geschichten auf Lager?“
    „Dutzende.“ Tony ging hinüber zum Tresen. „Der Aschenbecher zum Beispiel, der hier immer steht … Wo ist er eigentlich?“
    „Das große, hässliche Messingteil?“
    „Ja.“
    „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand damit etwas anfangen kann, und habe ihn entsorgt.“
    Tony war schockiert. „Was?“, fragte er. „Sie haben ihn weggeworfen?“
    „War er denn etwas Besonderes?“
    „Das war der Daryl-Jones-Memorial-Aschenbecher! Jones war zu Prohibitionszeiten eine Feuerwehrlegende. Als er starb, haben die anderen Feuerwehrleute die alte Glocke der Wache abgenommen und einen Aschenbecher daraus gemacht. Er und Brady – Ihr Urgroßvater – waren sehr gute Freunde.“
    Julie verzog das Gesicht. „Was? Sie haben einen Aschenbecher aus einer Glocke gemacht? Ist das nicht etwas respektlos?“
    „Da Jones Kettenraucher war, nein. Ich kann einfach nicht fassen, dass Sie ihn weggeworfen haben. Ich hätte ihn Ihnen sofort abgekauft.“
    Wortlos verschwand Julie im Hinterzimmer, wo Tony sie herumwühlen hörte, bis sie etwa eine Minute später triumphierend mit dem Aschenbecher zurückkehrte. „Wenn Sie mir beim Saubermachen helfen, dürfen Sie ihn behalten. Umsonst.“
    „Abgemacht.“
    Bei der Arbeit erzählte Tony ihr noch mehr Geschichten. Er zeigte ihr zum Beispiel ein Einschussloch in der Wand, das von dem berühmt-berüchtigten Bankräuber Clyde Barrow stammen sollte – Bonnie und Clyde ließen grüßen.
    Julie machte sich eifrig Notizen.
    „Und die Popcornmaschine hinter dem Tresen kommt aus dem Theater am anderen Ende der Straße“, erzählte er.
    „Echt? Hey, das Theater wurde doch gerade renoviert, oder?“
    „Stimmt.“ Endlich schien das Gespräch die richtige Wendung zu nehmen. „Hier im Viertel wird gerade sehr viel renoviert. Die Einwohner haben inzwischen großes Interesse an der Geschichte von Oak Cliff. Immer mehr der alten Bausubstanz wird erhalten statt abgerissen.“ Verstehst du jetzt endlich, worauf ich hinauswill, Julie?
    „Klasse! Dann kaufen die neuen Betreiber des Theaters die Maschine bestimmt gern zurück!“
    Tony seufzte enttäuscht. „Warum schreiben Sie sich das alles eigentlich auf?“
    „Der Auktionator hat gesagt, dass Gegenstände mit historischer Bedeutung bessere Preise erzielen. Erzählen Sie ruhig weiter.“
    Offensichtlich waren seine Bemühungen, Julie von der Zerstörung des Brady’s abzuhalten, eher kontraproduktiv. Je mehr er ihr erzählte, desto mehr bestärkte er sie in dem Vorsatz, die tollen alten Sachen zu verscherbeln.
    Als er jedoch beobachtete, wie sie den Dreck von einer alten Sturmlaterne entfernte – wahrscheinlich ein Überbleibsel aus Zeiten, in denen es noch keine Elektrizität gegeben hatte –, hätte er seine Mission um ein Haar komplett vergessen. Wenn er sie doch nur küssen …
    Hastig riss er sich zusammen. „Ich kann ja verstehen, dass Sie das Geld aus dem Verkauf gut gebrauchen könnten“, sagte er diplomatisch. „Aber was ist mit dem ideellen Wert? Einzeln sind die Sachen bloß Sammlerstücke, aber zusammen bilden sie eine Legende – die Ihrer Familie. Das hier ist die Bar, die Ihr Urgroßvater vor hundert Jahren eröffnet hat. Bedeutet Ihnen das denn gar nichts?“
    Julie sah zunächst

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