Watermind
Schultern und knackendem Rückgrat ging sie die Liste mit dem seltsamen Technomüll durch, den Carolyn Reilly in der Probe gefunden hatte. Ein paar Notizen waren in Romans Schrift verfasst. Sie kreiste mit einem Fuß und ließ dabei den Knöchel knacken.
Die Daten überraschten sie nicht. Amerikaner warfen alles in ihre Flüsse. Sie tippte kritische Notizen in ihren Taschen-PC. Sie selbst war in Taiwan aufgewachsen, einer Inselnation, die den Wert des Hamsterns und Haushaltens kannte. Auf dem PC-Bildschirm spiegelte die Kreuzschraffur ihres spitzen Stifts die ebenfalls kreuzförmigen Sorgenfalten über ihren Brauen.
Während die Probenflüssigkeit im Behälter schäumte, war sie in Gedanken vier Staaten weiter in Miami, wo sie ein neues Treibstoffgemisch für Düsenflugzeuge entwickelte. Schinderei nannte sie diese Arbeit. Erniedrigend. Prostitution. Irgendwann einmal hatte sie die Eleganz des Periodensystems verehrt, es war das Alphabet des Tao, in dem alles enthalten war, wie sie während des Studiums in einem Essay geschwärmt hatte. Doch jetzt verscherbelte sie ihr Wissen, um gutverkäufliche Produkte zusammenzupanschen. Sie tat es für Roman Sacony.
»Halbleiter, Diagnosechips, Benzolringe.« Sie las Reillys Liste, und ihr Stift kratzte laut. Hinter ihr stiegen unsichtbare Blasen in einem Behälter an die Oberfläche. »Bipolare Transistoren, kaputte Schaltungen, Polysiliziumleiter, ein funktionierendes Logikgatter … Funktionierend?« Sie schüttelte den Kopf. »Eher unwahrscheinlich, Miss Reilly.«
Der Gedanke an die Reilly-Nymphe ließ sie mit den Zähnen knirschen. Sie hob den Behälter hoch und schüttelte den milchigen Inhalt. Ihr verzerrtes Spiegelbild blickte sie missbilligend vom gewölbten Glas an.
Li Qin sah sich selbst als mager und unscheinbar. Sie versuchte nicht, nett zu sein. Ihr Leben war schiefgelaufen, also versprach sie sich nichts davon, freundlich zu sein. Sie wusste, dass Peter sie die Oberhexe nannte. Der einzige Grund, warum sie von den anderen toleriert wurde, war ihre Intelligenz. Es hatte drei Männer in ihrem Leben gegeben, die sie geliebt hatten, doch sie hatte ihnen keine Beachtung geschenkt. Der einzige Mann, den Li Qin jemals beachtet hatte, war Roman Sacony.
Sie knallte den Behälter auf den Tisch und drehte sich um, ohne das plötzlich fluoreszierende Eis zu bemerken.
18
Freitag, 11. März, 11.19 Uhr
Während CJs Rover über die Bordsteinkante holperte und auf den überfluteten Parkplatz des Motels fuhr, verfluchte sie sich im Stillen. Idiotin! Du hast es schon wieder gemacht. Als wärst du wieder in der Schule und würdest dir einen abbrechen, um blöden Lehrern zu gefallen. Du brauchst die Bestätigung dieser eingebildeten Streber nicht. Sie stieg auf die Bremsen des Rovers und schlitterte durch eine tiefe Pfütze. Als sie auf nassem Kies zum Stehen kam, saß sie einen Moment mit den Händen am Lenkrad da und kochte vor Wut.
»Verschwinde aus meinem Kopf, Harry«, flüsterte sie.
In Schutzanzügen und Watstiefeln suchten sich CJ und Peter Vaarveen dreißig Minuten später ihren Weg durch den Devil's Swamp. Der Regen hatte aufgehört, und weil die Erde von der Sonne gewärmt wurde, legte sich Feuchtigkeit wie ein Ölfilm auf jeden Halm und jedes Blatt. Peter hatte außerdem darauf bestanden, dass sie neben den Schutzanzügen, Schutzbrillen und Hüftstiefeln auch Atemmasken trugen. Schlimmer noch, er hatte ihre Gummihandschuhe zum zusätzlichen Schutz an den Manschetten festgeklebt. Offensichtlich hielt er die freie Natur für eine Todeszone. Seine Stimme rasselte durch das Atemgerät, als er die Probennahme erklärte.
CJ kannte den Vorgang. Sie hatte für das MIT genug Feldarbeit gemacht, und sie konnte es nicht leiden, von einem sarkastischen Idioten belehrt zu werden. Sie stapfte schnell durch den schwammigen Sumpf und versuchte ihn abzuhängen, aber Peter war nicht aus der Ruhe zu bringen und hatte keine Mühe, ihr mit seinen langen Beinen und dem tragbaren GPS zu folgen.
Das Gebiet um den Teich war von Rorys Arbeitstrupp zu Matsch zertrampelt worden. Die grünen Tupelobäume und Palmettopalmen waren nur noch zerlegte und geschredderte Haufen, Baumstümpfe waren entwurzelt, Kletterpflanzen zerrissen worden. Sogar Insektenspray war zum Einsatz gekommen. Der lange kommaförmige Teich lag nun voll im Sonnenlicht.
Schweiß lief CJ hinter der Schutzbrille in die Augen. Im warmen Schutzanzug hörte sie Peters langatmigen Instruktionen anfangs kaum zu. Er
Weitere Kostenlose Bücher