Weber David - Schwerter des Zorns - 2
»Aber die Mehrheit …?« Sie verzog die Lip
pen. »Ich vermute, sie reagieren nur unwillkürlich auf etwas, das sie
nie zuvor gesehen haben. Ich kann mich noch an meine Kindheit er
innern, als bewaffnete Lakaien irgendwelcher Adliger durch unser
Dorf ritten. Es spielte keine Rolle, wessen Farben sie trugen oder wie
friedlich sie sich verhielten. Beim ersten Blick durchfuhr mich im
mer ein ungeheurer Schrecken, weil sie Schwerter besaßen und wir
nicht, und wenn sie gewollt hätten …« Sie verstummte und der
Blick ihrer dunkelblauen Augen verfinsterte sich. »Diese Regung ist
vermutlich ganz natürlich. Was es dir natürlich nicht einfacher
macht.«
Sie legte ihre Hand sanft auf seine Schulter und er lächelte sie an.
»Aye, da ist wohl was dran«, meinte er. »Zudem ist es auch ganz
gut, wenn die Eltern klug sind. Besser kurz vorsichtig als lange trau
rig, sagt man ja, und das gilt vor allem, wenn es um Kinder geht.«
»Zweifellos«, stimmte ihm Kaeritha zu und warf ihm einen ver
stohlenen Seitenblick zu. »Hast du Kinder, Bahzell?«
»Ich? Kinder?« Bahzell sah überrascht auf sie hinunter und lachte.
»Nein, kein einziges. Und ich werde wohl auch keine bekommen,
nachdem Er Höchstselbst mich jetzt zu einem Seiner verwünschten
Paladine gemacht hat.«
»Diese Aufgabe frisst einem wirklich jedes Privatleben weg, hm?«
Kaeritha lachte leise.
»Aye, das tut sie. Darf ich erfahren, warum du mich das fragst?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht lag es an deinem Tonfall, als du eben
von Eltern und Vorsicht gesprochen hast. Ich glaube, du wärst ein
guter Vater, Bahzell.«
»Ha! Ich habe miterlebt, was meine Mutter und mein Vater mit
mir aushalten mussten, Kerry, und ich habe nicht im Traum vor,
mich einer derartigen Tortur auszusetzen. Vor allem nicht, wenn es
um Töchter geht.«
»Aha?« Kaeritha funkelte ihn herausfordernd an. »Gibt es etwas
an Töchtern auszusetzen, Milord Paladin?«
»Nicht im Geringsten, Milady Paladin«, erwiderte er amüsiert.
»Aber ich habe den Eindruck, als wären Töchter die Rache der Göt
ter an den Vätern.« Kaeritha sah ihn fragend an und er zuckte mit
den Schultern. »Jeder Vater wird zu einem bedauernswerten Ner
venbündel, weil er verhindern will, dass seine Tochter jemanden
kennen lernt, der so ist, wie er als Jüngling selbst einst war. Das
raubt ihm jeden Schlaf«, erklärte er grinsend.
»Ich … so habe ich das noch nie gesehen.« Kaeritha sprach sehr be
dächtig und schien sich nur mit Mühe davon abhalten zu können,
vor Lachen laut herauszuprusten. Sie räusperte sich und fuhr dann
etwas erstickt fort. »Aber du hast doch sicher Nichten und Neffen?«
»Aye. Mehr als ich zählen kann«, versicherte er ihr. »Wencit hat
zwar Recht, wenn er sagt, mein Volk wäre weniger fruchtbar als die
Menschen, dafür werden wir jedoch fast zweihundert Jahre alt. Uns
bleibt also genug Zeit, große Familien zu zeugen. Vater hatte schon
über einhundertzwanzig Jahre und meine Mutter ist nur einige Jah
re jünger. Sie haben, mich eingeschlossen, fünf Söhne und sechs
Töchter in die Welt gesetzt, von denen neun noch leben. Ich bin der
Zweitjüngste des ganzen Wurfs. Bei der letzten Zählung habe ich bei
zehn Neffen und acht Nichten aufgehört, aber meine Schwester Ma
ritha und meine Schwägerin Thanis hielten die Familientradition in
Ehren, also gehe ich davon aus, dass sich die Zahl während meiner
Abwesenheit erhöht hat.«
Seine Stimme war weicher geworden, und er lächelte wieder, als
er sich an seine Familie erinnerte. Kaeritha erwiderte sein Lächeln,
doch ihre Augen schimmerten traurig.
»Das freut mich für dich«, sagte sie leise. »Mein Bruder und meine
Schwester …« Sie zuckte die Achseln, hob ihre hohle Hand und
machte eine gießende Bewegung. Bahzell nickte und legte ihr seine
riesige Pranke sacht auf die Schulter, als er sich an die kurze, bittere
Geschichte erinnerte, die sie in Beilhain erzählt hatte. Sie hielt für
einen Augenblick seine Hand und holte dann tief Luft.
»Wenigstens haben mich Tomanâk und Kontifrio zu Seldan und
Marja geschickt«, erklärte sie. »Dank dieser beiden habe ich fast
ebenso viele Schwestern und Brüder wie du. Und dazu noch einen
ganzen Haufen Nichten und Neffen. Das ist ein gutes Gefühl,
stimmt's? Wenn man weiß, dass da eine Familie auf einen wartet,
selbst wenn man nicht so viel Zeit mit ihnen verbringen kann, wie
man möchte.«
»Aye, das stimmt. Und ich glaube, es hat auch noch etwas Gutes.«
Kaeritha sah ihn fragend an, und er deutete mit
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