Weber David - Schwerter des Zorns - 2
gab zwar keine
Schneestürme, aber die Sonne versteckte sich hinter einer dichten
Bewölkung. Es wurde sogar ein wenig wärmer, doch die zunehmen
de Feuchtigkeit, die das mit sich brachte, machte die Kälte noch un
angenehmer. Zudem waren die Straßenverhältnisse miserabel, und
der dichte Nebel und die kurzen, feuchten Schneefälle am Ende des
Tages setzten ihnen merklich zu.
Sie kamen langsamer vorwärts, nachdem sie Esfresia hinter sich
gelassen hatten, und zwar nicht nur, weil die Straße schlechter wur
de. Nach dem Hinterhalt schickte Herr Harkon Späher voraus. Die
schlechte Sicht verringerte den Abstand, den diese Kundschafter zu
der Truppe halten konnten, damit sie in Sichtweite blieben. Es reizte
Bahzell, den Befehl des Ritterkommandeurs zu überstimmen, doch
er verzichtete darauf. Harkon hatte nicht nur Recht damit, Späher
vorauszuschicken, um mögliche Feinde schneller aufzuspüren, er
war außerdem der einzige höhere Offizier des Ordenskapitels von
Belhadan in dieser Truppe, und Bahzell wollte seine Autorität nicht
einfach nur deshalb untergraben, weil er es eilig hatte.
Die Etappe von Esfresia zum Stollenherz-Tunnel in Zwergenheim
machte mit siebenunddreißig Werst zwar das kürzeste Stück ihrer
Reise aus, es kam ihnen aber sehr viel weiter vor. Die Landschaft
veränderte sich, während sie allmählich zum östlichen Gebirgsmas
siv anstieg, und die Hohe Straße führte durch Wälder, die so dicht
bestanden waren wie die in Vonderland. Die Bäume, die die Straße
säumten, erschwerten den Spähern ihre Aufgabe noch mehr, und
die ersten Werst nach Esfresia erwiesen sich als besonders schwie
rig, weil die Pferde hohe Schneeverwehungen überwinden mussten.
Sie legten in mehr als drei ganzen Tagen kaum dreißig Meilen zu
rück, und Bahzell fürchtete schon, dass sie Hurgrum nicht mehr vor
dem Sommer erreichen würden.
Glücklicherweise verbesserte sich die Witterung am vierten Tag.
Sie kamen nur noch selten an verlassenen Ortschaften vorüber und
sahen jetzt etwas mehr von den brach liegenden Feldern Landrias
und dem südlichen Landfressa. Dort lagen viele Gehöfte mit soli
den, winterfesten Scheunen und Getreidespeichern aus Ziegeln,
doch es war ersichtlich, dass die meisten Bewohner der Städte im
Augenblick etwas anderes im Sinn hatten als Landwirtschaft. Die
Hohe Straße war hier besser passierbar als auf dem Abschnitt nach
Lordenfel, und in den Wäldern rechts und links gingen Holzarbeiter
emsig ihrer Beschäftigung nach. Von Ochsen gezogene, mit behaue
nen Baumstämmen beladene Schlitten fuhren in einer stetigen Ko
lonne neben der Straße nach Osten. Kaeritha lächelte, als sich Bah
zell laut wunderte, dass mitten im Winter so hart gearbeitet wurde.
»Denk nach«, schlug sie vor. »Woran mangelt es den Menschen,
die unter der Erde leben, wohl am meisten?«
»Wie?« Bahzell kratzte sich das Ohr und nickte schließlich. »An
Bäumen!«
»Genau. Die Bewohner Zwergenheims schätzen Waldprodukte
ebenso hoch wie die Roten Lords Gold, und diese Leute hier leben
ganz ausgezeichnet davon, dass sie den Zwergen genau dies liefern.
Und nicht nur Holz oder Pech oder Terpentin. Zwerge lieben Holz
schnitzereien, aber sie selbst sind nicht sehr geschickt in der Herstel
lung. Deshalb ist das jetzt genau die richtige Zeit für diese Men
schen, Holz zu schlagen. Die Äcker müssen nicht bestellt werden,
und auch wenn sie die Stämme nicht über die vereisten Flüsse flos
sen können, erleichtert in diesem Fall der Winter ihren Transport.
Holzschlitten kommen auf Schnee erheblich einfacher voran.«
Bahzell nickte wieder, obwohl ihn die Rufe der Holzfäller, die
durch den Wald schallten, verwirrten. Das gelegentliche Prasseln ei
nes umstürzenden Baumes und die fröhlichen Rufe der Kutscher,
wenn sich die Ochsengepanne ins Zaumzeug legten, waren so ganz
anders als die eisige, verlassene Stille, die er weiter im Süden erlebt
hatte. Außerdem wunderte es ihn anfänglich, dass ihnen die Einhei
mischen freundliche Grüße zuriefen, wenn er und seine Gefährten
vorüberritten. Es tat zwar gut, wieder unter Menschen zu sein, die
sich sicher genug fühlten, um sie freundlich zu begrüßen, doch nach
seinen früheren Erlebnissen – und vor allem nach dem gescheiterten
Hinterhalt – kam es ihm merkwürdig vor, dass jemand einen
großen, bewaffneten Trupp nicht mit Misstrauen betrachtete, unge
achtet der Farben, die sie trugen.
Nachdem er jedoch ein wenig nachgedacht hatte, wurde ihm der
Unterschied zwischen diesen
Weitere Kostenlose Bücher