Wechsel-Wind
Möglichkeit.«
»Ach, Gerte…«
»Wir wissen beide, daß wir nicht füreinander bestimmt sind. Wir wissen, daß unsere Liebe nicht sein kann. Wenn es einen Weg gibt, sie ungeschehen zu machen, dann ist es das beste.«
»Dann ist es das beste…« echote er. »Aber ich hasse schon den Gedanken daran.«
»Ja, ich auch. Doch sind wir keine Geschöpfe ohne Verstand oder Seele. Wir müssen das Richtige tun, und wir besitzen den Willen dazu. Uns bleibt also keine andere Wahl.«
Gegen den eigenen Willen zwang er sich zu sagen: »Wie können wir unsere Liebe wieder aufheben?«
»Ich habe in der Nähe einen alten Vergessenswirtel gesehen.«
»Einen was?«
»Ein Fragment des Vergessenszaubers, der über der Spaltenkluft gelegen hat. Der Zauberbann zerbrach in der Zeit ohne Magie, aber es gibt noch einige Wirtel. Sie sind unsichtbar, aber ich weiß, daß dort einer ist, weil ich sah, wie Insekten hindurchflogen und ihren alten Kurs vergaßen.«
»Er… er läßt einen vergessen?«
»Ja. Früher ließen die Wirtel ein Wesen, das durch sie hindurchging, alles vergessen, aber jetzt schaffen sie nur noch etwa eine halbe Stunde. Das heißt, man vergißt die letzte halbe Stunde, die man durchlebt hat. Und diese Zeitspanne vergessen, hieß…«
»Daß wir unsere Liebe vergessen würden!« rief Sean aus.
»Daß wir unsere Liebe vergessen würden«, bestätigte sie traurig. »Bitte versteh doch: das ist nichts, was ich tun möchte, aber ich glaube, daß es für uns beide das beste wäre. Mein Verstand kämpft mit meinen Gefühlen, aber ich habe mich stets für eine vernünftige Elfe gehalten.«
»Und ich mich für einen vernünftigen Menschen«, sagte Sean. »Also schätze ich, wir sollten nichts tun, was wir bereuen könnten, wenn wir uns nicht mehr lieben.«
»Ja, genau. Wie gut, daß du verstehst, was ich meine.«
»Ich verstehe, daß du dein Leben nicht in einziges Chaos verwandeln willst, und wenn es dazu kommt, wenn ich dich liebe, dann sollte ich dich eben nicht mehr lieben.« Er verzog das Gesicht zu einem grimmigen Grinsen. »Mir setzt es nur ganz schön zu, daß ich mich an das Anständigste und Edelste, was ich in meinem Leben je tun muß – nicht mehr erinnern werde.«
Gerte stimmte der doppelten Ironie nickend zu. »Wir wollen uns nun noch säubern. Die Quelle hat uns alles angetan, was sie uns antun konnte. Dann gehen wir zu diesem Wirtel.«
»Ja.« Er hielt sein Gefühl so gut im Zaum, wie es ihm nur möglich war. »Aber weißt du, wenn ich dich ohne Einmischung der Liebesquelle näher kennengelernt hätte, dann hätte ich mich wahrscheinlich trotzdem in dich verliebt, denn du bist eine bemerkenswert kluge und vernünftige Frau, und außerdem wunderschön.«
»Danke«, sagte sie, während sie ihm mit zarten Bewegungen den Rücken wusch. »Angesichts deiner Beherrschung trotz des Verlangens, das du empfindest, vermute ich, daß ich dich ungeachtet deiner Herkunft ebenfalls lieben könnte. Und du bist auch sehr stattlich.«
»Danke.« Er drehte sich um, und sie wandte sich von ihm ab, so daß er seinerseits ihr den Rücken waschen konnte. Behutsam vermied er ihre elegant geschwungenen Flügel und spritzte Wasser auf die Federn, bis auch sie wieder sauber waren. Dann tauchten sie beide unter, um sich die Haare zu säubern. Schließlich zogen sie ihre Kleidungsstücke ins Wasser und wuschen sie aus, dann schlüpften sie in die noch nasse Garderobe.
Nachdem sie aus dem Teich gewatet waren, führte Gerte Sean über den Weg zum Vergessenswirtel. Er war, wie sie sagte, unsichtbar, aber Sean war der Meinung, daß sie wußte, wovon sie sprach. »Wer zuerst?« fragte er und hoffte insgeheim, daß sie ihre Meinung doch noch ändern würde.
»Ich kann problemlos nach Hause fliegen, weil meine Flügel nun wieder sauber sind. Du aber bist ein Fremder in einem fremden Land. Ich würde es vorziehen, darüber zu wachen, daß du wieder sicher zu deiner Familie gelangst, bevor ich durch den Wirtel gehe. Dabei werde ich hoffentlich mit mir ins reine kommen.«
»Also gut, machen wir's so.« Er sah sie an. »Können wir noch einmal…?«
Sie warf sich ihm in die Arme und küßte ihn. Dann entriß sie sich ihm. »Nun, geh rasch, bevor ich mich selbst beschäme, indem ich etwas begehe, was ich nicht tun darf«, sagte sie, und Tränen liefen ihr dabei die Wangen hinunter. Sean nahm allen Mut zusammen, wandte sich vor ihr ab und trat durch den Vergessenswirtel. Ein Teil von ihm hoffe, daß es nicht funktionieren
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