Weg da, das ist mein Handtuch
Anna zu.
»Si!«, flüsterte Anna. »Si! Ohhhhhhhhh! Aaaahhhhh!«
Oliver erinnerte sich genau, bei welcher Gelegenheit er sie zum letzten Mal so gehört hatte, es war leider schon länger her.
Kurz danach stieß seine Schwiegermutter einen kleinen Heuler aus, der in hektisch-hysterischem Juchzen endete.
»Das geschieht dir recht«, hörte er seinen Schwiegervater. »Das hast du von deiner Firlefanzgläubigkeit. Ich gönne dir den Schmerz, das ist die Rache für Robby!«
»Silencio!«, hörte er die Stimme der Assistentin. »Silencio!«
»So ein Hokuspokus«, zischte der Schwiegervater. »No!«, rief er dann. »No! Nicht mit mi r … Aaaauuuuu! He! Ich sagte: NO! NO!«
MARIO
Der Trampelpfad führte immer steiler den Berg hoch. Und wie es aussah, immer weiter von der Höhle weg. Es gab aber keinen anderen Weg, keinen anderen Eingang, nichts außer Gras und Sträuchern. Marios Füße in den Flipflops, der eine stank immer noch nach Scheiße, rutschten ständig aus; die Sonne stach ihm auf Kopf und Rücken. Nach fünfzehn Minuten war Mario durchgeschwitzt. Nach zwanzig Minuten beschloss er, umzukehren. Nach einer halben Stunde kehrte er aber echt um.
JESSICA
»Du hattest recht«, sagte Jessica zu Susan, die auf der Liege neben ihr lag. Beide hatten die Kräuterhexen weitergewunken, bevor sie auch ihnen den Rücken verbrennen konnten. Aber allein der Duft machte einen schwindelig, wach und locke r – es fühlte sich ein bisschen an wie auf Droge. Vielleicht wirkte da ja doch was. Jessica atmete tief durch. »Du hattest recht«, sagte sie noch einmal, »ich habe gerade etwas Stress.«
Dann erzählte sie alles, so kurz wie möglich.
Susan sagte erst mal nichts. »Jessica«, sagte sie dann vorsichtig, »du wirst das sicher anders sehen, aber ich glaube, du arbeitest zu viel. Weißt du, jeder Mensch braucht eine Work-Life-Balanc e …« Sie redete noch weiter, vom inneren Gleichgewicht und einer Pause zum Nachdenken, das ganze Psychozeug. »Abstand kann manchmal ungeheuer helfen. Ich kenne eine Frau, die hat eine Auszeit genommen. Ist auf eine Insel gefahren, nach Gomera. Hat dort gegessen, getrunken, geschlafen, gelesen und überlegt. Und dann ist sie zurückgekommen, hat ihren Job gekündigt und ein Literaturhotel in Meck-Pomm aufgemacht.«
»Da liest jemand?«
Susan kicherte. »Das war ja nur ein Beispiel. Aber eine Auszeit, eine wirkliche Pause vom Job, Zeit zum Überlegen, das brauchst du mal. Glaub’s mir.«
SUSAN
Das mit der Insel war erfunden. Nicht ganz: Es war eine Zeit lang Susans Traum gewesen. Nach der letzten blöden Beziehung zu Martin dem Machoneurotiker, bevor sie Robert das Riesenarschloch kennenlernte. Irgendwie tat es ihr gut, dass sie in der Lage war, Robert nun allmählich mal ohne Weichzeichner zu betrachten. Robert. Was war das überhaupt für ein blöder, altbackener Name?
Aber Jessica war am Ende. Burn-out. Die Frau war irre. Arbeitete rund um die Uhr über jedem Limit, und wenn eine Kleinigkeit schieflief, stürzte für sie alles zusammen. Sie brauchte eine Pause. Unbedingt. Hatte sie das verstanden?
»Ja, ja, das stimmt«, sagte Jessica. »Ich denke mal darüber nach.«
Die Arme, Susan sah ihr genau an, dass sie das nicht machen würde.
OLIVER
Es dauerte, bis man aus dieser Eremitenhöhle wieder rauskam. Nach den Umkleidekabinen wartete Bruder Basilico, um sich von jedem zu verabschieden. Neben ihm ein Opferstock. Die Spende sei für die armen Waisenkinder, die die Kräuter gesammelt hätten, sagte die Animateurin. Vor Oliver warf eine Frau aus Holland mit Tränen in den Augen ihr ganzes Portemonnaie ein.
Sie holten Carlotta und Elias aus der Kinderbetreuungshöhle, wo sie ganz brav mit Stoffkruzifixen spielten, aber zu früh gefreut: Da war noch der große Souvernirshop. Es gab Bücher mit Bruder-Basilico-Gebeten und Bruder-Basilico-Gesundheitstipps. Es gab Bruder-Basilico-Kräuterlikör gegen Bluthochdruck und Bruder-Basilico-Kräuterpaste gegen männlichen Haarausfall. Es gab Bruder-Basilico-Zahnreiniger für die Dritten und Bruder-Basilico-Stützstrümpfe für erschöpfte Wanderer und gegen den heimtückischen Fersensporn. Der arme Mann musste rund um die Uhr schuften, kein Wunder, dass er die Behandlungen seinen Assistentinnen überließ. Hinter der Kasse dann eine weitere Spendenbüchse: für die Kirche, die Bruder Basilico, natürlich mit eigenen Händen, zu Ehren Gottes bauen wollt e – sofern dieser ihn nicht vorher infolge akuter Arbeitsüberlastung zu sich
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