Weiberregiment
ihren Augen stand nur schreckliche
Entschlossenheit.
Jackrum zügelte sein Pferd.
»Also gut, zwanzig Minuten zum Verschnaufen«, brummte er.
Igor drehte sich um und nickte in Richtung der Verwundeten, die den
Weg grimmig fortsetzten. »Bitte um Erlaubnif, ihnen fu helfen, fal f daf
möglich ift.«
»Dazu bekommst du bald genug Gelegenheit, Junge«, erwiderte
Jackrum.
»Feldwebel?« Igor wirkte verletzt.
»Oh, na schön. Wenn du unbedingt wil st. Sol dir jemand zur Hand
gehen?«
»Die Hände zu klauen«, warf Strappi ein und lachte hässlich.
»Daf wäre nicht schlecht«, sagte Igor.
Der Feldwebel sah zur Gruppe und nickte. »Soldat Halter, vortreten!
Wie gut kennst du dich mit Doktordingen aus?«
Der rothaarige Toller trat schneidig vor. »Ich habe für meine Mutter
Schweine geschlachtet, Feldwebel«, sagte er.
»Großartig! Besser als jeder Militärarzt. Los mit euch. Zwanzig
Minuten, denkt dran!«
»Und achte darauf, dass Igor keine Souvenirs mitbringt!«, rief Strappi
und lachte wieder sein kratzendes Lachen.
Die anderen Jungs nahmen im Gras am Straßenrand Platz. Ein oder
zwei von ihnen verschwanden zwischen den Büschen. Pol y brach mit
der gleichen Absicht auf, ging aber noch tiefer ins Gebüsch und nutzte
die Gelegenheit, gewisse Socken zurechtzurücken. Sie neigten dazu
fortzukriechen, wenn man nicht aufpasste.
Sie erstarrte, als es hinter ihr raschelte, entspannte sich dann aber
wieder. Sie war vorsichtig gewesen; niemand konnte etwas gesehen
haben. Vermutlich war jemand in der Nähe und wol te seine Blase
entleeren. Sie würde einfach zur Straße zurückkehren, ohne ihm
Beachtung zu schenken…
Stecher sprang auf, als Polly aus dem Gebüsch kam, die Kniehose um
den einen Fuß, das Gesicht puterrot.
Pol y konnte einfach nicht anders. Viel eicht lag es an den Socken
oder an Stechers flehendem Blick. Wenn jemand »Nicht hinsehen!«
mitteilt, reagieren die Augen von ganz al ein und richten den Blick
dorthin, wohin das Gehirn gar nicht sehen will. Stecher zog hastig die
Hose hoch.
»Keine Sorge, es ist alles in Ordnung…«, begann Polly, aber es hörte
sie niemand – das Mädchen war bereits weggelaufen.
Pol y sah zu den Büschen und dachte: Lieber Himmel! Wir sind zu
zweit ! Aber was hätte ich als Nächstes sagen sol en? »Schon gut, ich bin ebenfal s ein Mädchen. Du kannst mir vertrauen. Lass uns Freunde
sein. Und ich kann dir da einen guten Rat über Socken geben.«?
Igor und Toller kehrten spät zurück, ohne ein Wort. Feldwebel Jackrum
sagte nichts. Die Truppe brach wieder auf.
Polly ging hinten, zusammen mit Karborund. Das bedeutete, dass sie
Stecher im Auge behalten konnte, wer auch immer sie war. Zum ersten
Mal sah Polly sie richtig an. Sie ließ sich leicht übersehen, denn
irgendwie blieb sie immer in Tol ers Schatten. Sie war klein, obwohl
»zierlich« besser auf ein Mädchen passte. Schwarzes Haar umrahmte ihr
Gesicht, und sie schien immer mit sich selbst beschäftigt zu sein. Nie
wich sie von Tol ers Seite. Plötzlich fiel Pol y ein, dass sie auch dicht bei ihm schlief.
Ah, so war das also. Sie folgt ihrem Freund, dachte Polly. Das war
romantisch, in gewisser Weise, und sehr, sehr dumm. Sie verstand es
nun, über die Kleidung und den Haarschnitt hinauszusehen, und
daraufhin erkannte sie al die kleinen Hinweise, die verrieten, dass
Stecher ein Mädchen war, noch dazu ein Mädchen, das nicht gründlich
genug geplant hatte.
Pol y beobachtete, wie Stecher Tol er etwas zuflüsterte, woraufhin
sich Toller halb umdrehte und Polly mit einem Blick bedachte, in dem
Hass und auch eine vage Drohung lagen.
Ich kann es ihr nicht sagen, dachte sie. Sie würde es ihm erzählen, und ich kann es mir nicht leisten, dass die anderen Bescheid wissen. Ich
habe mich nicht darauf beschränkt, das Haar kurz zu schneiden und
eine Hose anzuziehen. Ich habe geplant…
Ja… die Pläne.
Es hatte mit einer seltsamen Idee begonnen und war dann zu einem
Plan geworden. Pol y erinnerte sich. Zu Anfang hatte sie Jungen
aufmerksam beobachtet, was in einigen von ihnen Hoffnung weckte,
die kurze Zeit später in Enttäuschung mündete. Pol y beobachtete, wie
sie sich bewegten, und sie lauschte dem Rhythmus dessen, was unter
Jungen als Konversation galt. Sie sah, wie sie sich zur Begrüßung
knufften. Es war eine neue Welt für sie.
Für ein Mädchen hatte sie bereits recht gute Muskeln entwickelt, denn
bei der Arbeit im Wirtshaus musste sie vor al em schwere
Weitere Kostenlose Bücher