Weiberregiment
Polly
nicht zulassen.
Sie schauderte und spürte, dass jemand neben ihr ging. Sie drehte den
Kopf und stöhnte.
»Du bist eine Hal uzination, nicht wahr?«
O JA. IHR BEFINDET EUCH ALLE IN EINEM STADIUM
ERHÖHTER EMPFINDLICHKEIT, VERURSACHT VON
MENTALER ANSTECKUNG UND SCHLAFMANGEL.
»Woher weißt du das, wenn du eine Hal uzination bist?«
ICH WEISS ES, WEIL DU ES WEISST. ICH KANN ES NUR
BESSER ZUM AUSDRUCK BRINGEN.
»Ich sterbe doch nicht, oder? Ich meine, nicht jetzt.«
NEIN. ABER MAN HAT DIR GESAGT, DASS DU JEDEN TAG
MIT DEM TOD GEHEN WÜRDEST.
»Oh… das. Korporal Skallot hat das gesagt.«
ER IST EIN ALTER FREUND. MAN KÖNNTE IHN ALS EINE
ART TEILZAHLUNG BEZEICHNEN.
»Hättest du was dagegen, etwas… unsichtbarer neben mir zu gehen?«
WIE DU WÜNSCHST. IST ES SO BESSER?
»Und leiser?«
Stille folgte, was vermutlich die Antwort war.
»Und du könntest dich etwas mehr herausputzen«, sagte Polly zur
leeren Luft. »Und der Kapuzenmantel hat eine Wäsche nötig.«
Es blieb alles still, aber Polly fühlte sich trotzdem etwas besser.
Knal er hatte einen Rinderschmorbraten mit Klößen und Gemüse
zubereitet. Das Essen war köstlich. Und es war auch ein Rätsel.
»Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir an einer Kuh
vorbeigekommen sind, Soldat«, sagte Bluse, als er Knal er seinen
Blechteller für eine zweite Portion reichte.
»Äh… nein, Herr.«
»Und doch hast du Rindfleisch besorgt?«
»Äh… ja, Herr. Äh… als der Schreiber mit seinem Planwagen zu uns
kam, als ihr miteinander gesprochen habt, äh, da bin ich nach hinten
geschlichen und habe in den Wagen gesehen…«
»Es gibt eine Bezeichnung für jemanden, der so etwas tut, Soldat«,
sagte Bluse streng.
»Ja, und sie lautet Quartiermeister Knal er. Gut gemacht«, sagte
Jackrum. »Wenn der Schreiber Hunger bekommt, kann er seine Worte
essen, meinst du nicht, Leutnant?«
»Äh… ja«, erwiderte Bluse vorsichtig. »Ja. Natürlich. Gute Initiative,
Soldat.«
»Oh, ich bin nicht von selbst darauf gekommen, Herr«, sagte Knal er
fröhlich. »Der Feldwebel hat mich dazu aufgefordert.«
Polly verharrte, den Löffel auf halbem Weg zum Mund. Ihr Blick glitt
zwischen Feldwebel und Leutnant hin und her.
»Du lehrst sie zu plündern, Feldwebel?«, fragte Bluse. Die Rekruten
schnappten kollektiv nach Luft. Wäre dies das Wirtshaus »Zur
Herzogin« gewesen, hätten die Stammgäste die Flucht ergriffen, und
Polly hätte ihrem Vater dabei geholfen, die Flaschen aus den Regalen zu
nehmen.
»Es ist kein Plündern, Herr, nicht in dem Sinn«, sagte Jackrum und
leckte ruhig seinen Löffel ab. »Nach dem Reglement der Herzogin,
Vorschrift 611, Abschnitt 1 [c], Paragraph I, Herr, ist es Kriegsbeute, da
der Wagen Eigentum der verdammten Stadt Ankh-Morpork ist, Herr,
die dem Feind hilft und Vorschub leistet. Kriegsbeute ist zulässig , Herr.«
Die beiden Männer hielten den Blickkontakt für einen Moment, dann
griff Bluse nach hinten in seinen Rucksack. Pol y sah, wie er ein kleines,
aber recht dickes Buch hervorholte.
»Vorschrift 611«, murmelte Bluse und sah zum Feldwebel.
Dünne, glänzende Seiten knisterten unter seinen Fingern, als er
blätterte. »611. Plündern, Rauben und Erbeuten. Ah, ja. Und… mal
sehen… du verdankst es der Vorschrift 796, dass du bei uns bist, nicht
wahr, Feldwebel Jackrum? Du hast sie doch zitiert.«
Es folgte eine weitere Pause, in der man nur das Knistern hörte. Polly
erinnerte sich daran, dass es die Vorschrift 796 überhaupt nicht gab.
Stand deshalb jetzt eine Auseinandersetzung bevor?
»796, 796«, sagte Bluse leise. »Ah…« Er blickte auf die Seite, und
Jackrum starrte ihn an.
Der Leutnant schloss das Buch mit einem ledrigen Flapp. »Absolut
korrekt, Feldwebel!«, sagte er munter. »Ich bewundere deine
enzyklopädische Kenntnis der Vorschriften!«
Jackrum schien kurz vor der Explosion zu stehen. »Was?«
»Du hast die Vorschrift praktisch wortwörtlich zitiert, Feldwebel!«,
sagte Bluse. Es glänzte in seinen Augen. Pol y erinnerte sich, wie der
Leutnant den gefangenen Kaval erie-Hauptmann angesehen hatte. Dies
war der gleiche Blick, und er verkündete: Jetzt habe ich die Oberhand.
Jackrums Kinn wackelte.
»Möchtest du etwas hinzufügen, Feldwebel?«, fragte Bluse.
»Äh, nein… Herr«, sagte Jackrum, und sein Gesicht war eine offene
Kriegserklärung.
»Wir setzen den Weg fort, wenn der Mond aufgeht«, sagte Bluse. »Wir
sol ten die Zeit bis dahin nutzen,
Weitere Kostenlose Bücher