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Weihnachtsgeschichten am Kamin 04

Weihnachtsgeschichten am Kamin 04

Titel: Weihnachtsgeschichten am Kamin 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Friedrichsen , Ursula Richter
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geeignete Geschenke bereits im November. Angeregt durch Zeitschriften und Fernsehreklame machte sich jeder seine eigenen Gedanken, wie er seine Lieben am besten erfreuen könnte.
    Für mich stand dieses Jahr fest, daß ich mich ein bißchen von der Allgemeinheit abheben wollte. Ein wenig Individualismus, gepaart mit Humor und Einfallsreichtum, so dachte ich, würde sicher mehr erfreuen, als große, teure aber unpersönliche Geschenke, auf die das Wort «Überraschung» nur noch in den seltensten Fällen paßt.
    Das Fest der Liebe findet bei uns nach alter Tradition im Kreise der Familie statt, was bei uns heißt: Meine Eltern, mein Bruder mit Frau und seinen beiden Töchtern im Alter von vier und sieben Jahren und ich.
    Allen guten Vorsätzen zum Trotz, fehlte mir jedoch der zündende Gedanke. So versuchte ich, mich also auch durch die Werbung inspirieren zu lassen und kaufte für jeden eine, wie ich meinte, passende Kleinigkeit.
    Nur meine umwerfende Idee blieb aus. Jedenfalls bis zu jenem Tag, als ich mehr durch Zufall eine alternativ aufgemachte Zeitung entdeckte. In dieser Zeitung fiel mir eine Anzeige auf. Sie zeigte einen bilderbuchmäßigen Weihnachtsmann, mit dem Satz: «Ich komme Weihnachten zu Ihnen!»
    Da hatte ich meine Idee! Das wäre der Clou! Ein Spaß für die Erwachsenen und sicherlich eine riesige Freude für die Kinder. Aus meiner Kindheit, die ja noch gar nicht so lange zurücklag, wußte ich noch, daß ich immer auf den Weihnachtsmann gewartet hatte, er aber immer für mich unsichtbar, allein im Wohnzimmer, hantierte.
    Noch am gleichen Tag rief ich die angegebene Telefonnummer an und engagierte den vermeintlichen Weihnachtsmann für Heiligabend um 19 Uhr. Einige Tage später schon brachte ich ihm sämtliche Päckchen und eine Liste mit den guten und nicht ganz so guten Taten der einzelnen Familienmitglieder im Verlauf des letzten Jahres.
    Trotz meiner zwanzig Jahre fieberte ich nun dem Heiligen Abend wie ein kleines Kind entgegen. Ich war mir des Erfolges meiner Idee sicher und auf die sicherlich erstaunten Gesichter gespannt. So etwas hat es schließlich in unserer Familie noch nicht gegeben.
    Nun, die Zeit rennt und in der Vorweihnachtszeit, mit all ihren Vorbereitungen und Adventsfeiern, hätte sie gute olympische Chancen. Ehe ich mich versah, war der «große Tag» da.
    Die Familie meines Bruders erschien pünktlich zum Kaffee. Bei Kerzenlicht und Weihnachtsmusik wurde Gebäck geknabbert und mit den Kindern gespielt.
    Mir fiel auf, daß sich meine Eltern zeitweilig etwas eigenartig verhielten, aber ich gab nichts darauf, führte es eben auf die festliche Stimmung zurück.
    Erst als wir gegen 17 Uhr immer noch nicht aus dem Wohnzimmer verjagt wurden, wurde ich stutzig. Sonst war es üblich, ab 17 Uhr das Wohnzimmer für den Weihnachtsmann verschlossen zu halten, damit er in Ruhe arbeiten kann.
    Nun gut, ich fragte nicht weiter nach und sagte mir, daß auch alten Gewohnheiten mal der Bart abgeschnitten wird. So übersah ich diese ungewöhnliche Neuerung.
    Wir Frauen begannen mit der Vorbereitung des traditionellen Weihnachtskarpfens, der auch in diesem Jahr nicht fehlen sollte.
    Mitten hinein klingelte es gegen 18 Uhr an der Haustür. Wer sollte das sein? Sollte sich etwa mein Weihnachtsmann in der Zeit geirrt haben? Als ich noch überlegte, war meine Mutter schon zur Haustür gehetzt, von der aus man jetzt deutlich Glockengeläut vernehmen konnte.
    Ich ging hinaus — das durfte doch wohl nicht wahr sein! Ein Weihnachtsmann, wirklich und wahrhaftig, von meinen Eltern engagiert. Die Überraschung war gelungen, die beiden Mädchen freuten sich riesig.
    Tja, mein Weihnachtsmann erschien pünktlich um 19 Uhr. Auch jetzt wurde noch herrlich gelacht, obwohl die Mädchen schon anfingen, Fragen zu stellen.
    Eine Stunde später erreichte der lustige Heiligabend seinen Höhepunkt, als nämlich der bestellte Weihnachtsmann meines Bruders unser Heim aufsuchte. Ebenfalls gespickt mit Päckchen und einer großen Liste mit Stichworten für einen gelungenen Abend.
    Wir haben an diesem ja eigentlich stillen Fest so viel gelacht, wie schon lange nicht mehr.
    Nächstes Jahr werden die Kinder ihre Wunschzettel allerdings gleich an die Eltern senden, denn die Aufklärung über den Weihnachtsmann erhielten die beiden vom letzten verkleideten Studenten beim Karpfenessen als Gratiszugabe.

    Helga Schütze

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