Weil du ein zärtlicher Mann bist
erschöpft aus, wie sie sich fühlte. Seine Ärmel waren immer noch hochgerollt, und vielleicht war sein Hemd ein wenig verknittert, weil er neben ihr über den Roboterarm gekrochen war; aber er sah trotzdem ungemein adrett aus.
Sanft strich er ihr eine Locke, die aus dem Knoten entwischt war, hinters Ohr. “Du siehst geschafft aus.”
Seine Stimme war leise, weich. Zärtlich. Seine Finger auf ihrer Wange berührten sie ganz sanft.
Sie verfluchte innerlich all seine Widersprüchlichkeiten. Wieso schaffte er es mit einem kleinen Lächeln und einer winzigen Berührung, dass sie regelrecht dahinschmolz?
“Du bist eine erstaunliche Frau, Corinne”, sagte er ruhig, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, den sie noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. War es Respekt? Respekt und … Sie hielt den Atem an, als er sich zu ihr herabbeugte, um sie zu küssen. Doch es war nur ein einziger, federleichter Kuss.
Sie musste alle Kraft aufbieten, um sich nicht an ihn zu schmiegen.
Ja, es war Respekt in seinem Blick, das konnte sie jetzt deutlich sehen. Und was noch merkwürdiger war, auch sein Herz offenbarte er mit diesem Blick.
Diese Tatsache war beängstigend, denn bisher hatte sie solche Gefühle lediglich von ihrer Familie erfahren. “Mike …”
Er unterbrach sie, indem er sanft mit dem Daumen über ihre Lippen strich. “Gute Nacht, Corinne.”
Während sie allein auf dem Parkplatz der NASA stand und zusah, wie er davonfuhr, musste sie sich einer beunruhigenden Erkenntnis stellen.
Ihr Leben war längst nicht so vollkommen, wie sie immer gedacht hatte, denn inzwischen wusste sie, was ihr fehlte.
10. KAPITEL
Sie waren in der Endphase vor dem Start. In knapp einem Monat würde es losgehen, und dementsprechend wild, chaotisch und nervenaufreibend waren Mikes Tage. Es waren die aufregendsten seines Lebens.
Aber auch die anstrengendsten. Er konnte sich schon gar nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal eine ganze Nacht lang hatte durchschlafen können oder wann er zuletzt eine richtige Mahlzeit zu sich genommen hatte, aber er hätte im Moment nichts an seinem Leben ändern wollen.
Als er jetzt quer durch den großen Hangar zu Corinne hinüberschaute, die mehreren Mitarbeitern Anweisungen gab, musste er sich jedoch eingestehen, dass es eine Sache gab, die er ändern würde, wenn er es könnte. Und das war seine Beziehung zu Corinne.
Sie hatte aus einer Laune heraus begonnen, in jener Nacht vor drei Monaten. Ein Sexabenteuer, bei dem die Funken gesprüht hatten. Und die Funken sprühten noch immer, nur dass Corinne es nicht wahrhaben wollte. Und er ließ es zu.
Er war willig gewesen, sie mit dieser Lüge weiterleben zu lassen, weil er geglaubt hatte, dass keine Frau all den Aufruhr wert war, den so eine Beziehung mit sich brachte, und erst recht nicht diese anspruchsvolle, unverbesserliche, unnachgiebige, leidenschaftliche, entschlossene Corinne Atkinson.
Doch da hatte er nur die sexuelle Seite ihrer Beziehung in Betracht gezogen. Jetzt, seitdem er wochenlang tagein, tagaus mit ihr zusammenarbeitete, dachte er anders. Er wusste, wie er sie zum Lächeln oder sogar zum Lachen bringen konnte. Wusste, womit er ihr Gesicht zum Strahlen bringen konnte. Wusste, was sie dachte und was sie sich wünschte.
Und unglaublicherweise konnte er sich gar nicht mehr daran erinnern, wie es gewesen war, als er sie nur körperlich begehrte, denn dieses Begehren war gewachsen. Und zwar ins Unermessliche, wenn er ehrlich sein sollte.
Er wollte alles.
Für heute war sein Arbeitstag beendet, und es war tatsächlich noch früh genug, dass er ins Hotel fahren und den Feierabend genießen konnte, bis es Zeit war, ins Bett zu gehen. Doch er wollte nicht ins Hotel – jedenfalls nicht allein.
Er brauchte die Gesellschaft einer Frau. Nicht irgendeiner Frau, sondern einer, die er kannte und die ihn kannte, einer, die ihn einfach ansehen und wissen würde, was er wollte.
Corinne. Er brauchte Corinne.
Langsam ging er in ihre Richtung und beobachtete, wie sich jetzt alle von ihr verabschiedeten. Einigen gab sie noch ein paar aufmunternde Worte oder Ratschläge mit auf den Weg, anderen kritische Kommentare oder Befehle, je nachdem, wen sie vor sich hatte. Das ließ ihn lächeln.
Er konnte es kaum glauben, aber er fand inzwischen tatsächlich Gefallen daran, dass sie einen höheren Rang einnahm als er. Er mochte ihre selbstsichere Art, mit der sie Befehle erteilte. Im Moment hätte es ihm sogar überhaupt nichts ausgemacht, wenn sie ihn
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