Weil wir glücklich waren - Roman
hatte, was ihren Beruf anging, was das betraf, was sie für den Rest ihres Lebens jeden Tag würde tun müssen. Nichts klang besonders toll: Sie las gern, aber sie schrieb nicht gern; sie mochte Mathematik, bis es zu schwierig wurde. Ihre Lieblingskurse - egal, in welchem Fach - waren immer die Einführungskurse gewesen. Sie hasste es, wie dumm und oberflächlich sie das wirken ließ. Aber das, was ihr am College am besten gefiel, war tatsächlich das gesellige Leben in ihrer Studentenverbindung: Sie liebte die gemeinsamen Mahlzeiten vor dem großen offenen Kamin und die Wohltätigkeitsaktionen. Sie liebte die Kameradschaft, die Gruppenprojekte und den Umstand, dass jeder zu ihr kam, um sie um Rat zu fragen.
Und sie liebte Dan. Ihre Mutter konnte ihn Danny-Boy nennen, so oft sie wollte, aber er war gescheit, witzig und warmherzig wie Natalies Vater - und er sah sie an, als wäre sie die schöne Helena. Sie liebte die Art, wie er sie ansah.
»Und es schadet nichts, dass er mal einen Haufen Geld verdienen wird«, hatte ihr Onkel Pat lachend bemerkt. Natalie war furchtbar beleidigt gewesen. Sie liebte Dan, weil sie ihn eben liebte. Sie hätte ihn auch geliebt, wenn er Friseur gewesen wäre. Sie war nicht berechnend, kein bisschen.
»Ich glaube dir«, hatte Onkel Pat mit einem Augenzwinkern gesagt. »Aber es ist ein glückliches Zusammentreffen, das musst du zugeben.« Er hatte sich aufgesetzt und gehustet, als er ihren Gesichtsausdruck sah. »Ach, komm schon, Süße. Ich mache doch bloß Spaß. Sei nicht sauer. Sei doch nicht so.«
***
Als die Kellnerin zum fünften Mal kam, um ihre Tasse nachzufüllen, entschuldigte Natalie sich. »Ich bin gewissermaßen ausquartiert worden«, sagte sie mit einem gezwungenen Lächeln. Bis auf zwei kurze Abstecher zur Toilette saß sie seit drei Stunden an ihrem Tisch.
»Kein Problem.« Die Kellnerin war immer noch gutgelaunt, obwohl sie ein bisschen zu jung zu sein schien, um so lange aufzubleiben. »Kaffee zum Nachfüllen heißt Kaffee zum Nachfüllen. Sie können hier die ganze Nacht sitzen, wenn Sie wollen.«
Oh, gut, es gab also eine Alternative! Natalie lächelte weiter, bis die Kellnerin wieder ging. Für den Preis einer Endlostasse konnte sie in dieser Nische schlafen! Sie würde es warm und trocken und noch dazu netten Service haben. Am Morgen könnte sie sich Pfannkuchen gönnen und sich im Waschraum das Gesicht waschen. Sie fragte sich, was die freundliche Kellnerin tun würde, wenn sie sich tatsächlich hier hinlegte und einschlief, ihren Mantel unter ihren Kopf gelegt. Vielleicht lohnte sich der Versuch, das herauszufinden. Und es wäre weniger demütigend, als sich wieder ihrer Tochter aufzudrängen.
Sie nahm noch einen Schluck und starrte durch das Fenster in die Nacht hinaus. Es schien durchaus in Ordnung zu sein, ihre Entscheidungen zu bereuen und ihnen die Schuld an allem zu geben. Schon damals, als Natalie ihre Wahl traf, hatte sie sich Sorgen gemacht, ob sie richtig handelte. Die meisten Mädchen in ihrer Verbindung hatten nicht direkt nach dem College geheiratet. Sie gingen zur Graduate School oder studierten Jura oder Medizin. Oder sie reisten. Oder sie traten dem Friedenskorps bei. Sie erinnerte sich, wie einige von ihnen sie angeschaut hatten, als sie ihnen erzählte, dass sie verlobt sei. Ja, sagte sie, sie werde seinen Namen annehmen. Ja, sie werde nach Kansas City ziehen. Alle lächelten und gratulierten ihr und bewunderten ihren Ring, aber in einigen Augen sah sie Missbilligung, sogar Verachtung. Doch vielleicht, dachte sie, war sie auch nur paranoid und verunsichert.
»Dort bekomme ich leicht einen Job«, sagte sie, obwohl niemand so unhöflich gewesen war, danach zu fragen. »Als Lehrerin findet man überall Arbeit.«
Für eine junge Absolventin mit guten Noten erwies sich das als zutreffend. Natalie hatte keine Schwierigkeiten, einen Job zu finden, nachdem sie nach Kansas City gezogen war, oder - wie es die Herausgeberin ihres Verbindungsrundschreibens ausdrückte - »als sie ihrem Ehemann nach Kansas City folgte«. Und das im Jahr 1981! Eine ihrer Verbindungs-»Schwestern« hatte das geschrieben! Und Natalie wie ein Hündchen aussehen lassen, nur weil sie nicht Jura studierte, nur weil sie ihren Namen nicht mit einem Bindestrich an den von Dan hängte, nur weil sie kein Foto von sich in einem Blazer mit gewaltigen Schulterpolstern und einer dieser Blusen mit blöden Schleifen einschickte. Sie war Dan nicht gefolgt. Hatte sie den Mann, den sie
Weitere Kostenlose Bücher