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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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geduscht und den Großteil des Tages im Van verbracht hatte, sah sie eigentlich nicht schlecht aus. Sie trug den Schal, den ich ihr geschenkt hatte. Im Sonnenlicht, das durch die Scheiben fiel, sah er kratzig aus, aus billigem Garn angefertigt. Und das Rot war zu knallig für ihren Teint.
    »Er hat mir noch ein paar Tipps für meine berufliche Laufbahn gegeben.« Sie blickte auf und lächelte mich an.
    Ich wartete, aber sie winkte ab.
    »Was? Was hat er gesagt?«
    »Später. Vielleicht.« Sie starrte wieder auf die Liste. »Dort sind nirgendwo Hunde erlaubt.«
    »Mom. Das ist egal. Du gehst nicht in ein Obdachlosenheim.«
    Sie wollte etwas sagen, aber als sie mein Gesicht sah, hörte sie auf zu lächeln, und ganz plötzlich sah sie aus, als wäre ihre Haut auf einmal zu schwer für ihr Gesicht. Sie legte eine Hand über ihre Augen und wandte sich ab.
    »Mom. Lass mich Elise anrufen.«
    Sie schüttelte den Kopf. Dabei hielt sie immer noch die Hand über ihre Augen, einen Ellbogen auf das Lenkrad gestützt. Bowzer schnaubte zufrieden auf ihrem Schoß.
    »Dann eben Dad. Ich werde nichts von dir sagen, sondern einfach behaupten, dass ich Geld brauche. Ich lasse mir irgendetwas einfallen. Ich ...«
    Sie legte ihre Hand auf mein Knie. »Hör bitte auf«, sagte sie. »Bitte. Ich brauche einfach einen Moment Ruhe. Ein bisschen Würde ist mir noch geblieben, und die würde ich gern behalten. Mir fällt schon etwas ein, wenn du mir nur eine Minute Zeit lässt. Okay? Ich überlege mir etwas.«
    Ich gab ihr eine Minute Zeit. Dann zwei. Dann fünf. Dann zehn. Sie sagte nichts und ich auch nicht. Stattdessen schaute ich aus dem Fenster in den Himmel, der heute Morgen fahl und grau war, aber noch keine Anzeichen für Schnee zeigte. Tim. Ich könnte Tim anrufen und ihn bitten, den Hund zu nehmen. Meine Mutter würde bei ihm bleiben können. Aber ich konnte ihn nicht anrufen. Ein paar Tage nach der Sache mit Clyde-vom-dritten-Stock schien nicht der beste Zeitpunkt zu sein, um ihn zu bitten, den leicht inkontinenten Hund meiner Mutter aufzunehmen. Man konnte jemanden nicht erst wegstoßen und sich dann auf ihn stützen. Und obwohl meine Mutter schwieg und bis jetzt noch keine Idee hatte, wusste ich, dass sie - wenn sie Bescheid wüsste - sicherlich nicht wollen würde, dass ich Tim anrief.
    Außerdem dachte ich, dass sie nachgeben würde, wenn ich lange genug wartete. Sie würde mir erlauben, Elise anzurufen oder meinen Vater zu belügen. Ihr würde klarwerden, dass es keine andere Möglichkeit gab.
    Aber sie gab nicht nach. Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging. Im Wagen wurde es kalt. Sie hatte eine Hand auf Bowzers Rücken gelegt und trommelte mit der anderen auf das Lenkrad. Ihre Augen spähten über den Parkplatz, obwohl es dort nichts zu sehen gab. Vielleicht würden wir beide den ganzen Tag lang so dasitzen. Je mehr Zeit verging, desto wahrscheinlicher schien das zu werden. Ich wollte sie nicht allein auf dem Parkplatz zurücklassen. Doch obwohl sie sich weigerte, es zuzugeben, gab es für sie wirklich keinen Ort, wo sie mit Bowzer hätte hingehen können.
    Und dann gab es plötzlich doch einen.
    Unsere Rettung nahte in der unerwarteten Gestalt - und dem sehr ungewohnten Anblick - Haylie Butterfields, die auf der anderen Seite des Parkplatzes aus dem Bus stieg. Ich brauchte einen Moment, bis ich sie erkannte - nicht wegen der dunklen Haare, an die hatte ich mich gewöhnt, sondern weil ich sie in den letzten fünf Monaten nur in Jimmys Auto gesehen hatte, wenn sie unterwegs war; sie nahm nie den Bus. Außerdem trug sie Laufschuhe. Sie hatte den roten Lackmantel und einen langen, schwarzen Rock an und sah von den Knöcheln aufwärts auffallend und glamourös wie immer aus, aber unterhalb der Knöchel: Laufschuhe. Hellblau mit weißen Streifen.
    »Ist das nicht ...?« Meine Mutter starrte mit zusammengekniffenen Augen durch die Windschutzscheibe.
    Ich nickte, während ich beobachtete, wie Haylie auf den Eingang des Wohnheims zuging. Etliche andere Leute waren gleichzeitig mit ihr ausgestiegen, aber sie war ihnen schon weit voraus. Sie bewegte sich mit schnellen, forschen Schritten und war fast schon bei der Tür, als sie plötzlich - als hätte sie die Blicke von mir und meiner Mutter gefühlt - stehen blieb und sich umdrehte. Sie schirmte ihre Augen mit dem Handrücken ab und kam auf uns zu.
    Ich schüttelte den Kopf und setzte mich auf. »Sie sollte lieber nicht herkommen«, sagte ich. »Es sollte lieber nicht um Jimmys Auto

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