Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Glasplatte gerammt. Ob sie verrückt geworden sei, wollte er wissen. Ob ihr nicht klar sei, dass sie brillant und ungeheuer begabt sei? Ob sie vergessen habe, wie hart sie gearbeitet hatte? Ob ihr überhaupt bewusst sei, was sie im Begriff war, wegzuwerfen?
    Elise trank ihre heiße Schokolade und antwortete auf jeden einzelnen Anklagepunkt. Sie erhob ihre Stimme nur, wenn er ihr ins Wort fiel. Und wenn sie sich an Susan oder mich wandte, um uns zu bitten, ihr den Zimt oder die Schlagsahne zu geben, war ihre Stimme ruhig und höflich. Je lauter mein Vater wurde, desto häufiger schweifte ihr Blick ab, zu ihrer Uhr, zu ihren Fingernägeln, zu Susan O'Dells hübschem, beunruhigtem Gesicht.
    »Sollten wir sie vielleicht lieber allein lassen?«, flüsterte Susan und schaute mich an.
    Ich schüttelte den Kopf. »So läuft es immer ab«, klärte ich sie auf. Ich fügte nicht hinzu: Gewöhnen Sie sich daran, aber ich hoffte, dass sie wusste, was ich meinte. Sie wirkte sehr nett, war ruhig, aber aufmerksam. Auf ihrem schmalen Nasenrücken hatte sie eine erstaunliche Anzahl von Sommersprossen. Ich schätzte sie vielleicht zehn Jahre jünger als meine Mutter. Beim Essen lachte sie über fast alles, was mein Vater sagte. Er war charmant, erzählte gute Geschichten, zog ihr den Stuhl zurück und fragte sie sogar nach ihrer Meinung zu einer Entscheidung, die der Oberste Gerichtshof vor Kurzem gefällt hatte. Aber nach dem Essen bekam sie dann - wegen Elises Entscheidung - zu sehen, wie er war, wenn er wütend wurde.
    »War das Charlies Idee? Wollte er unbedingt den Job hier haben, egal, ob du auch einen bekommst?«
    »Fragst du mich das im Ernst?« Elise schüttelte den Kopf und gähnte. Sie legte ihre Füße auf seinen leeren Stuhl. »Wie viel Punsch hast du schon getrunken?«
    Sie starrten einander an.
    »Ich kann jederzeit wieder einsteigen«, sagte sie. »Ich werde meinen Abschluss behalten. Und ich werde meinen Verstand behalten.«
    Mein Vater lächelte nicht. »Du steigst die Karriereleiter hinunter, Schatz«, sagte er. Er zeigte mit dem Finger auf sie. »Mach dir nichts vor! Man wird dich nicht wieder hinauflassen.«
    Sie begegnete seinem Blick; ihr Lächeln war verblasst. Vielleicht gefiel es ihr nicht, dass er mit dem Finger auf sie zeigte. Auf einmal sah sie müde aus. »Ich bin die Leiter schon hinuntergestiegen, als ich sagte, ich würde Weihnachten gern nach Hause fahren«, sagte sie. »Ich bin die Leiter hinuntergestiegen, als ich um drei statt um zwei Urlaubstage bat.«
    Ich schaute in die Ecke des Zimmers, wo mein Vater den Weihnachtsstern hingestellt hatte. Elise und ich hatten all unsere Geschenke davor aufgebaut, sodass man die Pflanze kaum noch sehen konnte. Wir waren davon ausgegangen, dass es keinen Baum geben würde.
    »Susan hat ein Kind.« Mein Vater nickte in Susan O'Dells Richtung, die auf einmal sehr gequält aussah. »Susan hat ein Kind, und sie hat immer gearbeitet. Sie hat es geschafft.«
    »Ich sollte jetzt gehen«, sagte Susan O'Dell. Sie sprach zu niemandem im Besonderen, sondern einfach in den Raum hinein.
    »Ich habe mein Hauptfach gewechselt«, warf ich in ähnlicher Lautstärke und in ähnlichem Tonfall ein. »Jetzt mache ich nicht mehr Pre Med, sondern Englische Literatur. Vielleicht gehe ich auf eine Hochschule und studiere Literatur.«
    Alle sahen zu mir.
    »Ich glaube, ich werde damit glücklicher sein«, fügte ich hinzu. »Ich werde härter arbeiten und besser abschneiden. Weißt du, wenn ich das, was ich mache, liebe, werde ich meinen Beruf bestimmt immer ausüben wollen.«
    Dann senkte ich den Blick und betrachtete meine heiße Schokolade. Mein Entschluss stand endlich fest, wenn auch erst seit ungefähr zehn Sekunden. Mir war plötzlich klargeworden, dass jetzt der beste Zeitpunkt war. Zum einen hielt Susan O'Dells nervöse Gegenwart meinen Vater ein bisschen in Schach. Er brüllte, aber nicht so viel und nicht so laut, wie er es getan hätte, wenn sie nicht da gewesen wäre. Und zum anderen war Elises Abtrünnigkeit wesentlich dramatischer als meine. In einem Jahr würde sie Hausfrau sein. Ich würde studieren. Das war ein großer Unterschied.
    Mein Vater presste beide Hände an seine Schläfen. Er schaute Elise an. Er schaute mich an. »Was zum Teufel ist bloß los?« Er schaute Susan O'Dell an. »Sprich mit ihnen!«, forderte er sie auf. »Sie brauchen ein starkes Vorbild. Jetzt!«
    Das gefiel mir nicht, auch wenn es bloß ein Scherz war.
    »Das haben wir bereits«, sagte ich mit

Weitere Kostenlose Bücher