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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Hand, als wollte sie Rauch wegwedeln. »Es ist eine Wohnung. Darüber gibt es nicht viel zu sagen. Ich möchte lieber hören, wie es dir geht, Schatz.« Sie lehnte sich vor und streichelte Elises Hand. Der Diamant an Elises Ring funkelte hell im matten Kerzenlicht.
    Am Nebentisch sangen ein Mann und eine Frau für ein kleines Mädchen »Happy Birthday«. Wir schauten alle hin und lächelten.
    Elise beugte sich vor und stützte ihre Ellbogen auf den Tisch. »Du möchtest wirklich wissen, wie es mir geht?«
    Ich lehnte mich zurück und wartete. Fast ein Jahr lang hatte Elise uns ständig erzählt, wie viel sie zu tun hatte: zu viel, um zu Besuch nach Hause zu kommen; sogar zu viel, um länger zu telefonieren. Aber jetzt war sie endlich in Fleisch und Blut da, und obwohl sie meine Mutter und mich oft daran erinnerte, dass wir unmöglich begreifen könnten, wie viel sie arbeitete, dass wir wirklich keine Ahnung hätten, erwartete ich, dass sie uns jetzt alles darüber erzählen würde. Es würde witzige Imitationen eines anspruchsvollen Chefs oder vielleicht eines hilfsbedürftigen Klienten geben. Sie hatte die kleinen, blauen Augen meines Vaters, und jetzt verdunkelten sie sich genau wie bei ihm, wenn er sich darauf vorbereitete, unsere Aufmerksamkeit zu fesseln.
    »Hm. Wie es mir geht?« Sie lehnte sich zurück, streckte ihre blassen Arme aus und ließ ihren Blick über unsere Köpfe wandern. »Ziemlich gut, würde ich sagen.« Sie lächelte erst mich, dann meine Mutter an. »Ich bin schwanger.«
    Meine Mutter stieß ihr Wasserglas um. »Oh!«, sagte sie und zuckte leicht zusammen. »Oh! Damit habe ich nicht im Geringsten gerechnet!« Als sie aufstand, um Elise zu umarmen, fiel ihr Besteck, das in eine Papierserviette gewickelt war, auf den Boden.
    Elises Lippen formten über den Schultern meiner Mutter ein stummes Hilf mir!, obwohl sie die Aufregung sichtlich genoss.
    »Halt mich?«, fragte ich und stand auf. »Du hast gesagt, dass ich dich halten soll?«
    Als die Kellnerin mit der Pizza kam, scheuchte Elise uns beide weg.
    »Schon gut, ihr zwei. Setzt euch! Entschuldigung. Ja, es ist ganz toll, bla bla bla, okay. Ich will jetzt essen.« Sie bedankte sich bei der Kellnerin und griff zwischen uns, um sich ein Stück Pizza zu nehmen. »Was es auch ist, Junge oder Mädchen, es hat ständig Hunger.«
    Ich versuchte, nicht hinzustarren. Ihr Bauch, falls sie schon einen hatte, war hinter dem Tisch verborgen. Ein Junge oder ein Mädchen. Ein Neffe oder eine Nichte. Ich würde Tante Veronica sein. Ich wischte mit meiner Serviette das verschüttete Wasser auf. »Lässt du dir verraten, was es wird?«
    Weil sie gerade kaute, hob sie einen Finger hoch und hielt sich ihre Hand vor den Mund. »Bald. In einem Monat. Ich bin im Juni so weit.«
    »Gut, dass du Appetit hast«, sagte meine Mutter mit leisem Zweifel in der Stimme. Ihr Gesicht war immer noch gerötet vor Aufregung. »Bei euch beiden war mir die ganze Zeit schlecht. Sogar im zweiten Abschnitt der Schwangerschaft.« Sie schaute die Pizza an und zog die Nase kraus. »Allein der Geruch hätte schon gereicht.«
    »So ist es mir bis vor einem Monat auch gegangen.« Elise lehnte sich zurück und legte eine Hand auf ihren Bauch, und so, wie sie das tat, sah sie schwanger aus. Ich konnte keine Rundung oder Wölbung erkennen, aber es sah einfach wie die Geste einer Schwangeren aus. »Zwei Monate lang habe ich mich gefühlt, als wäre ich auf einem Boot«, sagte sie. »Auf und ab. Auf und ab.« Sie kniff die Augen zusammen. »Sogar beim Schlafen ging es auf und ab. Ich musste Papiertüten ins Auto legen, in meinen Schreibtisch und eine in meine Aktentasche.«
    Während ich aß, hörte ich zu, wie sie über Gelüste auf ausgefallene Speisen und Müdigkeit redeten. Elise hatte in ihrem Büro Nickerchen gemacht, unter ihrem Schreibtisch. Meine Mutter erzählte, dass sie dasselbe gemacht habe, als sie noch Lehrerin war, wenn ihre Schüler beim Lunch waren.
    »Ingwer hilft«, riet sie. »Nicht gegen die Müdigkeit, aber er ist gut für den Magen. Ich weiß noch, dass ich damals kandierte Ingwerstäbchen gelutscht habe.«
    Mein Blick ruhte auf der Kerze in dem kleinen, roten Halter, und ihre Worte flogen über meinen Kopf hinweg. Das war neu. Meine Mutter und Elise waren normalerweise befangen, wenn sie zusammen waren, zögernd, wie zwei Fremde auf einer Party, die um jeden Preis Konversation betreiben wollen, sich aber nicht besonders viel zu sagen haben. Doch nun hatten sie etwas

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