Weil wir glücklich waren - Roman
Zorn ihn nicht berührte - erschrocken. Es stimmte, sie hatte richtig gehört. Er hatte es wirklich gesagt: »Kaltmachen« und »Sie haben vierundzwanzig Stunden«. Irgendetwas an seiner vulgären Sprache traf einen wunden Punkt in ihr und machte ihr plötzlich bewusst, dass sie tatsächlich in einer anderen Welt gelandet war, in der man sich mit Freundlichkeit nichts kaufen konnte und Alter keinen Respekt verdiente. Sie würde sofort damit aufhören müssen, Mitleid zu erwarten. Und die Art, wie sie redete und wie sie über alles und jeden dachte, würde sie umstellen müssen.
Sei clever. Fang an, dich um dich zu kümmern.
Kapitel 5
Auf dem Weg zum Flughafen dröhnte elektronische Musik aus Jimmys Stereoanlage. Ich saß hinter Haylie. Der Himmel war noch dunkel, die Kontrolllichter des Wagens ein grüner Schimmer, und zwischen Sitz und Kopflehne waren nur Haylies wippende, glitzernde Ohrringe zu erkennen. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, sodass es unmöglich zu sagen war, was sie von der Musik oder der Lautstärke hielt. Aber als wir uns auf dem Highway der Abfahrt zum Flughafen näherten und die Lichter der Economy-Parkplätze sichtbar wurden, gab sie plötzlich einen gequälten Laut von sich.
»Können wir das nicht wenigstens leiser drehen?« Sie wischte mit einem fingerlosen Handschuh über den Lautstärkeregler.
Jimmy stellte die Musik ab, ohne etwas zu sagen. Den Rest des Wegs legten wir schweigend zurück.
Am Flughafen reichte er mir wortlos die Schlüssel.
»Tschüss!« Ich winkte mit dem klimpernden Schlüsselbund in meiner Hand. »Gute Reise! Ruft mich auf meinem Handy an, wenn ihr wissen wollt, ob alles in Ordnung ist.«
Aber Jimmy ging schon auf die Eingangstür zu. Die Metallkette, die an seiner Brieftasche befestigt war, schwang hinter ihm her. Falls er mich überhaupt gehört hatte, drehte er sich jedenfalls nicht um. Haylie war noch damit beschäftigt, ihre Tasche aus dem Kofferraum zu holen. Als sich die automatischen Türen hinter Jimmy schlossen, blickte sie auf und verlor dabei beinahe das Gleichgewicht. Sie hatte ihre Jeans in schwarze Samtstiefel mit spitzen Absätzen gesteckt, die so aussahen, als ob es nicht leicht wäre, auf ihnen zu gehen.
»Er ist nicht unbedingt ein Morgenmensch«, erklärte sie. Sie nahm ihre Tasche und schaute mich an.
Trotz der coolen Fassade erinnerte sich ein Teil von Haylie Butterfield anscheinend immer noch genug an ihr altes Leben, um sich Gedanken darüber zu machen, was ich von ihrem neuen Freund hielt. Ich ging an der Kühlerhaube vorbei zur Fahrerseite. Haylie schaute mich immer noch an. Achselzuckend rutschte ich ins Auto. Ich wusste nicht, was ich ihrer Meinung nach verstehen sollte. Sie brauchte sich nicht für ihn zu entschuldigen oder zu rechtfertigen, falls es das war, was sie beabsichtigte. Es interessierte mich nicht, ob Jimmy ein Morgenmensch war oder nicht. Sie war es, die das Wochenende mit ihm verbringen würde - ich hatte bloß die Schlüssel für sein Auto und sein Haus.
Als ich zehn Jahre alt gewesen war, hatte ich mein Fahrrad unabgeschlossen vor der Bücherei stehen lassen, und jemand hatte es gestohlen. Meine Eltern weigerten sich, mir ein neues zu kaufen. »Wie oft habe ich dir gesagt, dass du es immer anketten sollst?«, fragte mein Vater. Meiner Mutter schien ich leidzutun, aber auch sie blieb hart. »Ich weiß, wie sehr du dein Rad geliebt hast«, sagte sie. »Aber wenn du das Geld für ein neues selbst verdienen musst, wirst du in Zukunft besser darauf aufpassen. Du wirst es mehr zu schätzen wissen.«
Als ich mir im nächsten Frühjahr ein neues Fahrrad kaufte, wusste ich es tatsächlich mehr zu schätzen und ließ es nicht ein einziges Mal unabgeschlossen stehen. Und obwohl meine Eltern glaubten, ich würde wegen der Stunden, die ich damit verbracht hatte, Laub und Gras zu rechen, Staub zu saugen und Bowzers Kot aus dem Garten zu entfernen, besser darauf achten, stimmte das eigentlich nicht. Es lag vielmehr an dem Jahr, das ich ohne Fahrrad verbracht hatte und in dem ich gezwungen gewesen war, neben meinen Freunden her zu rennen, wenn sie alle irgendwohin radelten, oder auf dem Gepäcksitz mitzufahren, was zwar angenehmer, aber auch demütigend war. An dem Tag, an dem ich mein neues Rad bekam, fuhr ich damit herum, bis es dunkel wurde, angetrieben von reiner Freude, mit Beinen, die sich wie Sprungfedern anspannten und wieder lösten.
Dieselbe reine Freude empfand ich, als ich endlich allein in Jimmys Auto saß und meine
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