Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
eigene CD einlegte. Ich weiß, dass manche Menschen es hassen, Auto zu fahren. Aber ich nehme an, die meisten von ihnen haben einen Wagen. Wenn sie irgendwohin wollen, müssen sie nicht höflich um eine Mitfahrgelegenheit bitten, sich nach dem Busfahrplan richten oder sogar zu Hause bleiben. Sie steigen einfach in ihr Auto und fahren los. Und unter Umständen wissen sie es nicht einmal zu schätzen, obwohl sie sich ihre Autos mit harter Arbeit verdient haben. Nach einer Weile ist es einfach eine Selbstverständlichkeit. Nicht so für mich. Als ich vom Flughafengelände fuhr, fühlte ich mich, als würde ich fliegen. Ich genoss die Geschwindigkeit und jede Sekunde meiner Freiheit.
    Gerade war ich auf dem Zubringer zur Autobahn, als ein Regentropfen auf der Windschutzscheibe gefror. Ich sah noch einen und dann noch einen. Und auf einmal waren es so viele, dass die gefrierende Nässe in den Scheibenwischern hängen blieb und sie aus dem Takt brachte. Ein Geländewagen auf der äußeren Spur schlingerte ein paar Sekunden lang hin und her, ehe der Fahrer den Wagen wieder unter Kontrolle hatte. Ich warf einen Blick in den Rückspiegel, auf die Autobahn hinter mir. Auf beiden Seiten der Straße war Farmland, kahle Felder, ein Silo. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich irgendeine Wahl hatte. Schließlich konnte ich nicht einfach umkehren.
    Deshalb stellte ich den CD-Player ab und setzte mich aufrecht hin. Ich konnte es schaffen. Meine Mutter hatte Elise und mich einmal in einem Schneesturm von der Schule nach Hause gefahren. Mit beiden Händen hatte sie das Lenkrad festgehalten und uns ermahnt, keinen Laut von uns zu geben, als wir langsam an Autos in Straßengräben und Autos, die sich ineinander verkeilt hatten, vorbeifuhren. Meine Mutter hatte beim Fahren geredet; ihre Stimme war ruhig gewesen, und ihre Augen waren unverwandt auf die Straße gerichtet. Wenn man auf Glatteis ins Schleudern komme, erklärte sie uns, dürfe man nicht einfach auf die Bremse treten. Bremsen sei der erste Impuls, aber manchmal müsse man ihn ignorieren. Man müsse einfach weiterfahren, sagte sie, und sich durchlavieren.
    Der MINI Cooper - so schick er auch war - eignete sich nicht besonders gut für vereiste Straßen. Aber indem ich sehr langsam fuhr und kaum bremste, brachte ich einige Meilen glatter Brücken und rutschiger Kurven hinter mich. Ich kam an einem Sattelschlepper vorbei, der sich auf der Mittelspur quergestellt hatte, und an einem Van, der im Graben auf der Seite lag. Doch bei keinem von beiden blieb ich stehen; schon als Kinder hatten Elise und ich gebannt den Schauergeschichten meines Vaters gelauscht, wenn er erzählte, was einem Mädchen auf dem Highway alles passieren konnte, wenn es die Sicherheit seines Wagens verließ. »Bleibt für niemanden stehen!«, hatte er uns eingetrichtert. Er wisse, dass es hart klänge, aber es gebe da draußen Menschen, die eine Panne oder eine Verletzung vortäuschten, um einen in ihr Auto zu zerren. Wenn man auch nur das Seitenfenster öffne, sei man dran, falls der andere eine Pistole habe. »Egal, ob es ein Mann oder eine Frau ist«, hatte er hinzugefügt. Und jeder könne sich wie eine Nonne anziehen oder sich als älterer Mensch verkleiden. Ted Bundy habe einen Gips getragen. Es sei nett, anderen zu helfen, räumte mein Vater ein. Aber auf der Straße müsse man auf sich selbst aufpassen.
    Deshalb fuhr ich weiter. Aber nachdem ich die gestrandeten Autos passiert hatte, griff ich in meine Tasche, um nach meinem Handy zu suchen. Ich fand, ich sollte wenigstens die Polizei anrufen. Doch es war nicht da. Ich tastete zwei Meilen lang danach und hoffte das Beste. Damit war ich gerade beschäftigt, als ich den Unfall baute. Es ging - wie es bei Autounfällen normalerweise ist - sehr schnell, und ich bezweifle, dass es anders gekommen wäre, wenn ich das Lenkrad mit beiden Händen festgehalten hätte. Ich drückte stoßweise auf die Bremse und versuchte selbst dann noch zu lenken, als der Wagen immer näher in Richtung Graben trudelte, um dann mit der Kühlerhaube voran hineinzukrachen. Glas splitterte, und ich flog nach vorne. Doch mein Gurt hielt mich, und ich sackte zurück.
    Ein paar Sekunden lang rührte ich mich nicht. Ich saß einfach da, die Hände um das Lenkrad geklammert, einen Fuß fest auf die Bremse gedrückt. Bei dem Aufprall war der Rückspiegel abgebrochen; er lag auf dem Armaturenbrett, und zwar so, dass ich mein Spiegelbild sehen konnte, meine aufgerissenen Augen, meine

Weitere Kostenlose Bücher