Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
zugetraut hätte!“
„Euer Gnaden glauben nicht, was Pastoren alles für wert erachten, der Nachwelt zu überliefern. Zur Einführung hier auf Hohen-Lützow war es das Beste, was mir passieren konnte, als mir Warkentin vorschlug, die Chronik zu studieren. Ich habe regelmäßig die Leute verblüffen können, wenn die glaubten, mich mit Geschichten und Anekdoten versorgen zu müssen, die das Gut betreffen.“
„Soso, interessant. Dann geht es in dem Buch wohl auch um meine Familie? Sollte doch auch mal einen Blick hineinwerfen“, konstatierte der Graf.
„Das bleibt nicht aus, aber ich kann Euer Gnaden versichern, dass über das Patronat nichts Übles vermeldet wurde. Bis auf die Sache mit der Kirchenglocke, die im 30-jährigen Krieg verloren gegangen ist und erst nach hundert Jahren durch eine gemeinsame Stiftung von Kirchgemeinde und Herrschaft wieder ihren Platz im Glockenstuhl gefunden hat. Außerdem hat das eine oder andere Loch im Kirchendach die Nerven der Herren Pastoren ruiniert.“
Der Graf schmunzelte, wie Stein so ins Plaudern geriet. Doch er hielt seinem Verwalter zugute, nicht oft Gelegenheit zu haben, intellektuelle Gespräche zu führen. Pfarrer und Küster blieben oft die einzigen Honorigen, die aus hierarchischer Betrachtung und im Grad der Bildung zum gesellschaftlichen Umgang des Verwalters passen mochten. Sah man von gelegentlichen Einladungen beim Schmied, Stellmacher oder Schweizer einmal ab, bei denen es allzu oft bei vielen Gläsern Kœm und dem Austausch des neusten Klatsches blieb, so hatte Stein wirklich nicht viel Gelegenheit für gediegene Konversation.
„Schon gut, Stein, Sie haben mich von der Loyalität unserer Kirchenmänner überzeugt. Aber wollten Sie mir nicht etwas vom Aberglauben erzählen.“
„Ja, richtig, Herr Graf. Ich komme jedoch einleitend nicht umhin, eine Lanze für die alten Bauernregeln zu brechen, die oft dem Aberglauben hinzugerechnet werden. Dabei handelt es sich eher um ein Regelwerk, das aus jahrhundertlangen Naturbeobachtungen Erfahrungen gefiltert und in einfachen Sinnsprüchen zusammengefasst hat.“ Stein fing einen ungeduldigen Blick seines Dienstherrn auf.
„Herr Graf haben recht, ich sollte endlich zum Aberglauben kommen. Also, heute Morgen haben die Leute davon gesprochen, ob mit dem Bau des Backhauses an einem Montag begonnen worden sei. Euer Gnaden sehen also, man verbindet den gestrigen Brand mit einer Hinwegsetzung über die landläufig bekannte Regel, niemals an einem Montag mit einem neuen Werk beginnen zu dürfen. Auch wenn sich der Fluch erst in 150 Jahren erfüllen sollte, ist nach herrschender Meinung so ein Unglück unausweichlich.“
„Ach, die Geschichte meinen Sie! Ich denke, dahinter versteckt sich nur ein Mangel an Fleiß oder eine Ausrede, das Tagewerk nach einem Sonntag wieder aufzunehmen. Diesem Aberglauben hängt nicht nur die Landbevölkerung nach. Jeden Montag führe ich mit meinem Hauspersonal ähnliche Auseinandersetzungen. Möchte mal wissen, wie der Unsinn aufgekommen ist.“
„Unsinn hin oder her. Man kann die Regel einfach befolgen. Beispielsweise lasse ich am Sonnabend mit einer neuen Arbeit beginnen, und wenn der Vorschnitter nur zehn Fuß eines Schlages anmäht, ist der Sache Genüge getan. Niemand wird am Montag einwenden, mit einer neuen Arbeit zu beginnen. Genauso machen es die Leute auch zu Hause. Am Sonnabend wird in der Regel mit der Arbeit begonnen, und wenn nur ein Nagel für einen neuen Schuppen ins Holz getrieben oder nur eine Staude vom Kartoffelacker gerodet wird. Ebenso wenig werden Sie es erleben, dass am Sonnabend Wäsche gewaschen oder gebleicht wird, weil das Unglück bringen soll. Die Leute halten sich strikt an die Überlieferungen und ich bin nicht so vermessen und werde mich dagegen auflehnen. Übrigens, an einem Montag bringt auch Hochehrwürden seine Bienenvölker niemals um den Ertrag ihrer Sammelleidenschaft und das will schon einiges heißen.“
„Unser Warkentin hängt also dem Aberglauben nach. Was meinen Sie, Stein, so ein Dorfpastor ist doch nicht zu beneiden. Allen Anforderungen von Kirchgemeinde und Patron gerecht zu werden, ist schon schwierig genug, jedoch ständig das Wort Gottes im Munde führen, und dann auch noch die Gebote vorleben, das stellt in meinen Augen eine übermenschliche Leistung dar.“ Der Graf unterbrach sich, meinte, dass es unklug sei, solche Überlegungen an den Mann heranzutragen, der ständigen Umgang mit dem Pastor pflegte. Vielmehr lenkte er ein:
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