Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Eildepesche aus Ludwigslust unterwegs, während seine hübsche Schwester am Heiligen Damm kurt ohne väterliche oder brüderliche Begleitung, richtig?“
„Ich stimme mit Ihren Überlegungen überein. Meinen Sie, die Familie hat Johanna in die Sommerfrische abgeschoben, damit sie nicht mitbekommt, was inzwischen zu Hause abläuft?“
„Ja, in der Tat. Meine Gedanken gehen in dieselbe Richtung. Wir sollten uns mal mit der Engelmann verabreden. Es scheint um den anderen Bruder zu gehen, denn wie Sie schon sagten, rührten die Tränen der Komtesse daher, dass sie sich von unserem Franz entfremdet fühlte. Und was schließen wir daraus?“
„Dass sie mit dem anderen Bruder glänzend zurechtkommt?“
„Genau, Stetten, so muss es sein!“
Bestandsaufnahme
Die Luft war herrlich frisch und gewürzt mit dem Geruch regennasser Erde. Unbekümmert schien die Sonne auf die Verwüstungen herab, die Sturm und Regen angerichtet hatten.
Auf den Getreideschlägen wogten die Ähren nicht mehr in einträchtiger Nachbarschaft, vorbei die Zeit, wo sie dem Betrachter trotz ihrer Vielzahl ein großes Ganzes vorgaukelten. Der Gewittersturm hatte hässliche Wunden gerissen. Scharf grenzten sich niedergedrückte Flächen von tapfer aufrecht stehenden Halmen ab. Von Sturm und Starkregen geknickt lagen die Unterlegenen der Elemente beieinander, als harren sie still der menschlichen Hand, um vor dem Verrotten gerettet zu werden.
Am Feldrain tauchten zwei Reiter auf. Die Pferde waren munter und schienen einer schnelleren Gangart nicht abgeneigt, die Stimmung ihrer Reiter war gänzlich anderer Natur. Mit betretenen Gesichtern zügelten sie ihre Tiere.
„Das ist ja noch schlimmer, als ich vermutet habe“, sagte der Graf zu Stein. „Was meinen Sie? Wie wird sich die Angelegenheit auswirken“, fragte er bekümmert, nur um überhaupt etwas zu sagen, dabei deutete auf den Getreideschlag.
Stein schaute seinen Dienstherrn nicht an, als er antwortete: „Vor allen Dingen werden es die Schnitter ungleich schwerer haben, nun müssen sie mit den am Boden liegenden Halmen fertigwerden. Wenn der untergesäte Klee durch die Halme wachsen sollte, wird es noch schwieriger. Die Ernte wird erheblich länger dauern als geplant. Über den Ertragsverlust möchte ich gar nicht spekulieren. Wollen wir hoffen, dass es nicht weiterhin regnet, denn dann könnte der Klee unter der Halmdecke verfaulen, Stroh und Korn verderben. Außerdem fehlt dann der Klee als Herbstweide für das Vieh. Es hängt halt alles zusammen“, setzte er resigniert hinzu.
„Wem sagen Sie das“, entfuhr es dem Grafen, der von faulendem Korn und dürrem Vieh auf den Zustand seines Geldbeutels schloss. Doch wen sollte er für die Misere verantwortlich machen, er konnte doch nicht mit dem Schöpfer ins Gericht gehen.
„Wenn es bis morgen trocken bleibt, kann die Erntearbeit fortgesetzt werden“, sagte Stein. Es sollte zuversichtlich klingen, doch er war mit seinen Gedanken bei den Ereignissen der letzten Nacht und ihm war immer noch etwas beklommen zumute. Er trieb sein Pferd an und lenkte es neben das Reittier des Grafen, das im gemütlichen Schritt vor sich hin trottete. Dann nahm er seinen Monolog wieder auf: „Heute sind alle damit beschäftigt, die in Unordnung geratenen Hocken aufzustellen, beziehungsweise ihr Innerstes nach außen zu kehren, damit auch alle Puppen abtrocknen können. Die Mahd kann ich erst morgen fortsetzten lassen.“ Stein verstummte.
Der Graf brütete vor sich hin. Endlich fragte er: „Apropos Brand! Haben Sie den Ofen des Backhauses schon inspiziert?“
„Ja, Euer Gnaden, da ist leider nichts mehr zu machen. Ich habe schon den Maurer beauftragt, mit dem Abriss zu beginnen und wiederverwendbare Ziegel zu werben. Senkpiel kennt auch einen Pötter, der sich gerade in der Gegend aufhalten soll.“
„Hätte das nicht Zeit bis Montag gehabt?“
Stein schaute den Grafen mit einer Mischung aus Belustigung und Verstimmung an.
„Halten zu Gnaden, aber Herr Graf wissen doch, wie abergläubisch die Leute auf dem Lande sind!“
„Was hat denn das Backhaus mit Aberglauben zu tun?“
„Mit dem Häuschen hat es eigentlich nichts zu tun, obwohl ich schon heute Morgen die Ersten habe munkeln hören, ob das Backhaus – inzwischen ist das alte Gemäuer bestimmt 150 Jahre alt, wenn wir dem Kirchenbuch glauben wollen ...“
„Sie lesen das Kirchenbuch? Stein, Sie amüsieren mich. Das ist nun wirklich die letzte Freizeitbeschäftigung, die ich Ihnen
Weitere Kostenlose Bücher