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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Brot streichen! “
    „Das hat vermutlich das Fass zum Überlaufen gebracht.“
    „In der Tat, Doktor Ahrens, in der Tat, das hat es allerdings. Aber unsere braven Rostocker brauchten noch einen letzten Anstoß – und den lieferte ein Holländer. Jetzt meine ich allerdings die Berufsbezeichnung und nicht den Landsmann. Also nach Ablehnung der Eingabe erhöhte besagter Holländer seinen Butterpreis gleich um mehrere Schillinge. Empörte Kunden wollten ihn dazu zwingen, seine Ware zu einem weit günstigeren Preis zu verkaufen. Die Sache ging so weit, dass die aufgebrachte Kundschaft ihm die Preise vorschreiben wollte. Sie müssen sich dabei das Gemenge auf dem Markt vorstellen, wo der Besenbinder neben dem Töpfer und gleich gegenüber Bäcker, Bauer und Holländer ihre Verkaufstände aufgebaut haben. Da kam es im Nu zu Tumulten und Lagerbildungen.
    Der Rat sah sich genötigt, einzugreifen, weil er die Marktordnung gefährdet sah, so wurden Rat und Hundertmännerkollegium einberufen. Die vom Preiswucher am schlimmsten Betroffenen hatten zudem eine Bittschrift verfasst und dem Rat überreicht. Darin standen allerdings Forderungen, die dem freien Handel von Seiten des Rates nicht auferlegt werden konnten. So wurde beispielsweise ein Verbot des Getreide- und Nahrungsmittelexportes verlangt. Dem Ersuchen konnte der Rat grundsätzlich nicht nachgeben. Zum einen bedarf es dazu landesherrlicher Edikte, zum anderen hätte es allen Gesetzmäßigkeiten des Handels und des Marktes widersprochen. Und selbst wenn der Rat nachgegeben hätte, hätte er die Erzeuger nicht zwingen können, die Preise zu reduzieren. So war der Rat gefangen zwischen Lobbyisten, den eigenen Interessen, den Gesetzmäßigkeiten des Handels und den Interessen der Not leidenden Bürger und Bewohnern der Stadt, die draußen auf dem Marktplatz ihrem Ärger Luft machten. Und so geschah es, dass Rostocker Gesellen und Handwerker Speicher, Lebensmittellager und Kaufmannshäuser stürmten und ihre Beute, ich nenne es jetzt der Einfachheit halber so, zu billigen Preisen verkauften oder an Notleidende verschenkten. Und das alles nur, weil den Bauern in Westeuropa die Ernte verhagelt war. Soviel zum Rostocker Butterkrieg, wie wir ihn mittlerweile nennen.“
    Bevor Ernst oder Franz sich äußern konnten, tönte es vom anderen Ende des Tisches: „Sie haben die bittere Pointe vergessen, sehr verehrter Herr Kollege“, resümierte Professor Josephi zu der abgeschlossen geglaubten Schilderung.
    „Es steht Ihnen frei, mich zu ergänzen, Herr Professor!“, erwiderte Pries diplomatisch, dem es nicht entgangen war, dass die Ratsherren nebst Ehefrauen anfingen, sich unbehaglich zu fühlen.
    „Was ich auch gern tun möchte“, sagte Josephi. „Nachdem man im Hafen auch Schiffe am Auslaufen gehindert hatte, weil ihnen die Ruderblätter ausgehoben worden waren, orderte der Rat landesherrliche Truppen. Jedoch bevor die fürstlichen Soldaten eingreifen konnten, ließ der Rat gegen Abend des revolutionären Tages Amnestie für alle Aufrührer und Herabsetzung der Lebensmittelpreise verkünden. Das Ganze natürlich umrahmt von Trommelwirbel und dem üblichen Brimborium. Derart beruhigt zerstreute sich die aufgebrachte Menge.
    Wenn ich auch zu keiner Zeit bereit war, die Auswüchse des Tumultes zu billigen, so verachtenswürdig empfand ich den Wortbruch des Rates, der sich am folgenden Tag ereignen sollte.“
    „Wie können Sie so etwas sagen! Der Rat ist für Ruhe und Ordnung in der Stadt verantwortlich. Keine Regierung der Welt kann es hinnehmen, wenn Gesetze missachtet und ungestraft gestohlen und geplündert wird!“, schrie jetzt Ratsherr Scholtz mit zornesrotem Kopf in Josephis Richtung. Die Damen schauten beschämt auf den fein gewirkten Damast des Tischtuches. Disharmonie und offene Anfeindungen schienen ihnen ein Graus zu sein.
    Charlottes Schlichtungsversuch wurde von Josephi überhört.
    „Ach ja?“, höhnte er. „Und das hanseatische Ehrenwort ist wohl kein Gesetz oder gilt das Wort eines Rostocker Kaufmanns nicht mehr. Ich dachte, wir erlebten bereits die Aufklärung, wo die moralische Grundregel Einzug gehalten hat: Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“
    „Das ist unerhört! Seit wann hat Kant etwas mit dem Butterkrieg zu tun. Außerdem vermischen Sie hier Amt mit Profession. Was hat mein Wort als ehrbarer Kaufmann mit den Rädelsführern auf dem Marktplatz zu tun. Rein gar

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