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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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nicht gut. Ich bin sozusagen Strohwitwer. Warum fragen Sie?“
    „Ich vermutete etwas Ähnliches. Sonst hätten Sie doch an einem so schönen Tag einen Ausflug mit Ihrer Frau unternommen und nicht einem Fremden das letzte Geleit gegeben.“
    „So wie Sie!“, warf Goltzow amüsiert ein.
    „Ja, so wie ich. Wo wurde der Tote überhaupt gefunden?“, fragte Franz leichthin, er hatte die Arme in seinem Rücken verschränkt und starrte geradeaus, damit er keinen verräterischen Seitenblick auf den Beamten wage.
    „Tja, das war wirklich seltsam. Er ist rein zufällig von einer städtischen Kommission entdeckt worden, die sich notgedrungen mit den hygienischen Bedingungen Rostocker Begräbnisstätten beschäftigt. Ansonsten wäre er dort unbemerkt zu Staub zerfallen. Sie haben bestimmt schon mitbekommen, dass es an der Zeit ist, einheitliche Regeln aufzustellen und Bestattungen nicht mehr nur dem Gutdünken der Kirchenleute zu überlassen. Jeder, der es sich leisten kann, will in einem Gotteshaus oder zumindest in nächster Nähe begraben liegen.“
    „Das Ergebnis solcher Bemühungen ist wirklich penetrant“, stimmte Franz zu.
    „In der Tat. Ich hasse den widerlichen Gestank. Der Pfarrer braucht sich doch nicht zu wundern, wenn die Leute bei der Predigt umfallen. Deshalb ist es immer gut zu wissen, an welcher Stelle der Kirche eine Grabplatte gelüftet worden ist. Aber auf den Kirchhöfen sind die Zustände ebenso katastrophal. Total überfüllt, es ist sogar vorgekommen, dass streunende Hunde oder Gassenschweine liederlich Beerdigte aus ihren Gräbern gezerrt und sich an den Leichen gütlich getan haben“, wetterte der Kommissär. „Und um auf unseren gemeinsamen Bekannten zurückzukommen, stellen Sie sich vor! Der wurde ausgerechnet in Pegels Gruft gefunden“, ereiferte er sich. Goltzow hörte sich an, als ob die Entweihung der Ruhestätte eines gewissen Pegels ihn tatsächlich ärgere.
    Franz holte tief Atem, er hatte während Goltzows ausschweifender Erklärung unbewusst die Luft angehalten. Doch jetzt platzte er heraus: „Pegel? Noch nie gehört!“ Dabei war er bemüht, seine Erleichterung nicht allzu offensichtlich werden zu lassen, weil kein anderer Name gefallen war.
    „Sie haben noch nie von Professor Magnus Pegel gehört?“ Goltzows Verärgerung schien in Entrüstung umzuschlagen. „Pegel ist der Verfasser des Thesaurus “, erklärte er. Als Franz immer noch nicht begreifen wollte, holte Goltzow wohl oder übel weiter aus: „Der Thesaurus ist Pegels Hauptwerk, eine Zusammenfassung des Wissens seiner Zeit. Der Professor bereicherte es durch eigene Beiträge erheblich. Er machte sich um die Medizin verdient, beschrieb aber auch Maschinen, Tauch- und Flugapparate und so weiter.“
    Franz schluckte schwer.
    „Deshalb nennt man Pegel gern den Leonardo des Nordens!“, verkündete Goltzow stolz.
    Franz schnappte nach Luft und schützte erst einmal einen Hustenanfall vor, damit seine plötzliche Kurzatmigkeit nicht auffiele.
    Goltzow hieb ihm kurzerhand auf den Rücken und stellte überflüssige Fragen: „Was haben Sie, junger Freund? Ist Ihnen nicht wohl?“
    „Mir ist wahrscheinlich eine Fliege in den Hals geflogen“, krächzte Franz außer Atem.
    Sein Begleiter lachte dröhnend über das angebliche Missgeschick. „Besser eine Fliege im Hals als entleibt in einem Heringsfass über das Meer zu schippern“, stellte Goltzow trocken fest. Er wedelte einen Schwarm grüner Schmeißfliegen fort, der von einem Pferdeapfel aufgeflogen war.
    Franz räusperte sich ausgiebig, bevor er seiner Stimme so weit vertraute, keine akustischen Entgleisungen befürchten zu müssen. „Ich esse nie wieder Salzhering!“, bekannte er mit Schaudern.
    „Na, na! Sie sollten sich nicht länger damit auseinandersetzen“, schlug Goltzow gelassen vor. „Wenn der Kopf wirklich zwischen Heringen oder in Branntwein getaucht unterwegs sein sollte, können wir beide daran sowieso nichts mehr ändern. Und ich halte es für ausgeschlossen, dass der Empfänger der gruseligen Fracht das Fass wieder in den Verkehr bringt.“
    Goltzows nüchternes Resümee beruhigte Franz ein wenig. Zum einen wegen des besagten Fasses, zum anderen wegen der Art und Weise, wie Goltzow an den Fall heranging. Offensichtlich hatte der Beamte nicht vor, den Mord eingehend zu untersuchen. Ein beerdigter Fremder war gewiss bequemer zu den Akten zu legen als ein einheimisches Opfer. Angehörige würden alle nasenlang nach Ermittlungserfolgen

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