Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
verzweifelter Stimmung allein zu lassen, behagte ihm nicht. Dennoch nahm er die Klinke in die Hand und wendete sich zum Gehen. Sein zum Abschied hingeworfenes: „Morgen wissen wir mehr“, sollte zuversichtlich klingen. Doch dann realisierte er erschrocken die Drohung, die sich hinter den eigenen Worten verbarg.
Hoffnung ist besser als eine schreckliche Gewissheit. Christians Worte hallten in ihm wider und fachten erneut die Angst um seinen Bruder an. Er hatte sie verdrängt, solange er Margitta in den Armen gehalten hatte.
Im Haus war es dunkel und still. Das Lärmen seiner Stiefelabsätze war Franz unangenehm. Aber er konnte noch so vorsichtig auftreten, die beschlagenen Sohlen knallten bei jedem Schritt, deshalb beeilte er sich, den schmalen Flur und die Treppe hinunter in den Hof so schnell wie möglich zu verlassen. Erst als er draußen die würzige Nachtluft einatmete, kam es ihm in den Sinn, etwas Ähnliches gehört zu haben, kurz bevor er sich vom Vater verabschiedet hatte. Belustigt dachte er daran, ein heimlicher Verehrer habe es in dem hellhörigen Haus schwer, unbemerkt die Geliebte zu erreichen oder sich davonzustehlen.
Er schaute an der Fachwerkfassade des Flügelbaus empor, der zum Komplex des Logierhauses gehörte. Nur durch eines der vielen Fenster schimmerte von Vorhängen gedämpfter Kerzenschein. Dort vermutete er seinen Vater. Franz seufzte, wandte sich dem Hof zu und schickte sich an, das eigene Quartier aufzusuchen.
Die Promenade lag ausgestorben da. Nur die vielen Wagen-, Huf- und Fußspuren vermittelten noch eine Ahnung davon, wie es auf der belebten Straße tagtäglich zuging.
Franz erreichte das Fürstenpalais, in dem die Festbeleuchtung längst gelöscht worden war. Beim Anblick des größten Gebäudes am Platze dachte Franz an die faszinierende Begegnung mit Margitta. Mit dem Abstand einiger Stunden belächelte er den ersten Eindruck, den das Mädchen auf ihn gemacht hatte. Inzwischen war er zu der Überzeugung gelangt, mit einem Menschen aus Fleisch und Blut getanzt zu haben.
Aus den Augenwinkeln nahm er ein Glühen wahr. Kurz darauf erhellten die Flammen eines Feuerzeugs das Gesicht eines Mannes, der sich lässig gegen eine Säule lehnte. Franz hatte den Rittmeister sofort erkannt und blieb abwartend stehen. Trebbow, ohnehin größer, musterte Franz herablassend. Ihn erhöhten drei Stufen, durch die man voneinander getrennt war. Für Franz stand fest, sein Widersacher habe den Platz mit Bedacht gewählt, habe bereits auf ihn gewartet. Franz fragte sich argwöhnisch, was der andere im Sinn haben mochte.
„Klotz? So allein? Können Sie auch nicht schlafen?“ Trebbow blies genüsslich eine Wolke Tabakrauch in Franz’ Richtung.
„Ich habe nicht vor, mich hinter eine Säule zu kauern. Zum Schlafen müsste ich erst einmal mein Bett erreichen. Sie halten mich auf meinem Weg dorthin auf“, gab Franz unwirsch zurück. Trebbow war nicht wütend, das machte die Sache heikel.
„Warum so unhöflich, Klotz? Warum fragen Sie mich nicht, weshalb ich nicht schlafen kann?“
„Weil es mich nicht im Mindesten interessiert, Herr Rittmeister. Ich wünsche Ihnen trotz Ihrer Schlafstörungen eine gute Nacht.“ Franz setzte seinen Weg fort.
„Es sollte Sie aber interessieren“, rief Trebbow ihm nach. Er löste sich von der Säule, gab sogar seinen erhöhten Platz auf und verfolgte Franz ein paar Schritte. „Sie und Ihr treu sorgender Herr Vater haben nicht bedacht, dass die Gebäude mit den Fremdenzimmern nur für den Sommeraufenthalt gedacht, sehr einfach und billig errichtet und demzufolge sehr hellhörig sind.“
Franz’ Schritte stockten. Er drehte sich um und sah Trebbow, der ein breites Grinsen auf den Lippen hatte, angewidert an. Er fragte sich, ob es an ihm liege oder ob sein Gegenüber tatsächlich schwanke.
„Ah, nun wird es wohl doch noch interessant, was? Ich lag da so in meinem Bett, als nebenan ein sehr leidenschaftliches Gespräch geführt wurde. Von Erpressung, Ehebruch, Spionage und Mord war da die Rede. An Schlaf war da nicht mehr zu denken, Klotz!“
Franz gestand sich entsetzt ein, Trebbow drohe nicht nur. Nach seiner Aufzählung musste er große Teile des Gesprächs tatsächlich mitbekommen haben.
„Das, was Sie da als Tatsachen hinstellen wollen, sind in Wahrheit nur vage Vermutungen, die ich selbst geäußert habe und die kein Dritter teilt“, hielt er im verzweifelten Versuch dagegen, die Ungeheuerlichkeiten abzumildern, die aus Trebbows Mund weit
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