Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Franz vorsichtig: „Konntest du noch Zeit für die Übersetzungen abzweigen?“
„Ja, und ich habe etwas Interessantes herausgefunden!“
Franz’ Augen erhielten etwas Glanz zurück, erwartungsvoll sah er Ernst an.
„Johann unterhielt eine rege Korrespondenz mit, – nun ja, ich möchte sie mal als Gleichgesinnte bezeichnen. Es entsteht eine Art Studenten- oder Burschenverbindung, deren Hintergrund eine gemeinsame Geisteshaltung ist.“
„Eine Art Loge?“
Franz’ Zwischenfrage überraschte Ernst. Bisher hatte er es vermieden, zu testen, ob sein Freund auch ein Logenbruder sei. Es war auch noch nicht lange her, da er selbst das Aufnahmeritual der Loge zu den drei Sternen hier in Rostock absolviert hatte. Die Freimaurerei hatte sich den allgemeinen Ruf erworben, über alle Standesgrenzen ihrer Mitglieder hinweg ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. In Rostock gehörte vornehmlich die Armenwohlfahrt dazu. Die war es auch, die von außen wahrgenommen, und als eigentliches Wirken der Loge verstanden wurde. Also war es ebenso gut möglich, Franz habe sich nur über den humanistischen Grundgedanken der Freimaurerei informiert, ohne selbst Bruder zu sein.
„Nun ja, vielleicht“, wich er aus, weil er Franz nicht unbedingt zu verstehen geben wollte, wie gut er über Logen Bescheid wisse. Er hatte Angst, den Ehrenkodex zu verletzen, dem alle Brüder unterworfen waren, schließlich war er doch erst Lehrling. „Allerdings fand ich die Auseinandersetzung um die geheime Symbolik, die man sich zulegen wollte, sehr fesselnd. Letztendlich hat man sich auf ein offenes Auge geeinigt, nicht in einem Dreieck, sondern in einem Kreis.“
„Das Auge Gottes! Himmel, Hans-Georgs Tätowierung!“ Es hätte nicht viel gefehlt und Franz wäre in der engen Droschke aufgesprungen.
„Ich dachte mir schon, dass du so etwas Ähnliches schon einmal zu Gesicht bekommen hast“, kommentierte Ernst die Begeisterung. „Was mir jedoch Kummer bereitet, ist der Sinn der neuen Verbindung. Die Meinungen, die in Johanns Briefen geäußert werden, machen mir regelrecht Angst.“
Ernst sah verstört aus und das beunruhigte Franz. Sein Freund schien sich tatsächlich Sorgen zu machen. „Was ist? Nun sag endlich, was dich bedrückt“, forderte er ohne Umschweife.
„Na ja. Ich denke, Johann und Hans-Georg haben sich einer Bande von Umstürzlern angeschlossen“, bekannte Ernst kleinlaut.
„Was? Wie kommst du darauf?“ Franz rutschte auf seinem Polster vor, um Ernst besser im Blick zu behalten.
„Sie schreiben vom freiheitlichen Gedanken der Pariser Revolution, von entmutigenden Ergebnissen des Wiener Kongresses, von der Unfähigkeit des Deutschen Bundes, etwas unter einem Dach einen zu wollen, was die Fürsten der Bundesstaaten doch wieder auseinanderreißen werden. Sie lassen den Geist der Lützower auferstehen und fordern ein geeintes Deutsches Reich.“ Während seiner Aufzählung war Ernst bleich geworden.
Franz beobachtete seinen Freund und zog in Betracht, dass die Verfolgung solcher Ziele als Revolte gegen die bestehende Ordnung und Obrigkeit ausgelegt werden und möglicherweise Krieg heraufbeschwören könnte.
„Was ist dir unheimlicher? Die Ziele dieser Leute oder dein Wissen darum“, fragte Franz unverblümt. Als Soldat war er praktisch veranlagt. Ihn schreckte eine verschwindend geringe Zahl von Weltverbesserern nicht, Was konnte die gegen eine gut ausgerüstete Truppe ausrichten?
„Ich weiß es nicht“, bekannte Ernst.
Franz sah ein, er müsse den Freund sanfter anfassen. Ernst stand anscheinend noch unter dem Eindruck, dass ein Mitglied der geheimen Verbindung gewaltsam zu Tode gebracht worden war. Er erzählte Ernst von der Begegnung mit Goltzow und dessen Sichtweise auf den ungeklärten Mord.
„Na, Gott sei Dank, dann ist wenigstens davon auszugehen, dass die Polizei in dieser Sache nicht länger umherschnüffelt“, schlussfolgerte Ernst, doch sein Ausdruck blieb weiterhin finster.
„Was noch?“, fragte Franz trocken.
„Ich darf nicht darüber sprechen“, kam achselzuckend retour.
„Ärztliche Schweigepflicht, ich verstehe.“ Franz lehnte sich zurück und schaute hinaus in den Regenschleier. Die Droschke überquerte eine Brücke über ein schnurgerade eingefasstes Gewässer.
„Das ist die Viergelindenbrücke über der Grube, es ist nicht mehr weit“, sagte er und seine Stimmlage warb um Franz’ Verständnis.
„Wie wollen wir uns dort einführen?“
„Du vertrittst deinen Bruder und ich bin Küfers
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