Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Folge geleistet werde, wandte sich dem Jungen auf dem Strohlager zu. „Wir werden ihn auf den Bauch legen müssen. Sein Rücken sieht bestimmt noch viel schlimmer aus.“
Der Verwalter, Franz und Warkentin fassten an und betteten den schlaffen Körper um. Der Junge kam zu sich und erbrach sich sofort.
„Verdammte Schweinerei“, schimpfte Stein. „Das wird mir Hans büßen müssen, der hat doch gewusst, was dem Jungen blüht.“ Doch im Stillen machte er sich selbst für den Vorfall verantwortlich. Er trug die Verantwortung für das Wohl von Mensch und Tier auf dem Gut. Er hatte die Burschen eingestellt, obwohl sie damit rausgerückt waren, keine Landarbeiter zu sein. Plötzlich stand ihm sein Eintrag ins Personalbuch überdeutlich vor Augen:
Preuß, Adam; geb. 18.08.1800, Schneidergehilfe
Preuß, Maximilian; geb. 18.08.1800, Schustergehilfe
Stein strich sich über die Augen, damit er die Erscheinung loswerde. „Nun gut“, seufzte er, „ich werde morgen den Arzt kommen lassen. Elsi sagte mir, es gebe weitere Kranke im Dorf.“
Hans und Maximilian tauchten mit Wasser, Essig und Laken in der Kammer auf. Stein wies den Jungen an, einen Teil der Tücher mit Essig und einen Teil mit Wasser zu tränken und seinem Bruder aufzulegen.
„Das lindert die Schmerzen und kühlt seinen Körper. Wenn die Tücher warm geworden sind, wiederholst du die Prozedur. Und gib ihm viel kaltes Wasser zu trinken. Dein Bruder wird nicht sterben, aber heute Nacht musst du auf ihn aufpassen. Wir legen ihn auf die Seite, damit er uns nicht erstickt, falls er nicht bei Bewusstsein ist und sich erneut übergeben muss. Hast du alles verstanden?“
„Ja, Herr.“
„Du kannst morgen schlafen, ich schaue in der Frühe nach euch beiden. Der Arzt wird kommen.“
„Danke, Herr.“
Stein nahm Franz bei der Schulter und schob ihn aus der Kammer. Der Pastor blieb noch eine Weile bei den Zwillingen.
„Wie kann so etwas nur passieren? Der Junge hätte doch merken müssen, wie ihm die Haut verbrennt.“ Franz stand noch unter dem Eindruck der Symptome, die Adams Körper entstellten.
„Adam ist mit der Arbeit unter freiem Himmel nicht vertraut. Er hat sich allein auf die ungewohnte Aufgabe konzentriert. Außerdem lassen sich Burschen in seinem Alter nicht gern etwas von anderen sagen.“ Lächelnd blickte Stein zu Franz. Er meinte, sein junger Begleiter stünde in einem Alter, in dem ein solches Verhalten leicht nachvollziehbar sei.
„Nein“, meinte Franz, der Steins Seitenblick richtig gedeutet hatte, „so etwas habe ich mir nie leisten können, schon gar nicht auf der Kadettenschule. Befehle sind dazu da, ausgeführt zu werden, ohne Disziplin kann keine Armee der Welt existieren.“ Unwillkürlich straffte er sich, als müsse er gleich einem imaginären Vorgesetzten salutieren.
Stein war von der Feinfühligkeit des jungen Mannes beeindruckt. Zugleich überkam ihn urplötzlich Trauer um den jungen Menschen an seiner Seite, der seine Jugend auf Schlachtfeldern verbracht hatte. Stein hoffte für Franz, der junge Offizier teile seine Gefühle nicht.
„Sie haben unbestritten recht“, sagte Stein aus einer Eingebung heraus. „Manchmal betrachte ich mich auch als General. Ich bin überzeugt, Sie würden in meinem Stab hervorragende Dienste leisten.“ Er glaubte, Glanz in Franz’ Augen sehen zu können, auch drückte die Körperhaltung des jungen Mannes Zustimmung aus.
Wie selbstverständlich schlug Stein vor: „Unser Arbeitstag beginnt um 5.00 Uhr. Wir sollten uns vom Pastor verabschieden und zu Bett gehen. Auf dem Gut herrscht eine ungeschriebene Regel: Um 11.00 Uhr am Abend hat Nachtruhe zu herrschen.“
Die folgenden Tage verliefen ohne weitere ernsthafte Zwischenfälle für die Gesundheit von Mensch und Tier. Adam wachte am folgenden Tag mit gewaltigen Kopfschmerzen auf, die Bläschen auf seinem Rücken platzten auf und begannen zu nässen. Doch dank der aufopferungsvollen Pflege seines Bruders erholte sich der Junge schnell. Nur die schmerzenden und juckenden Wunden sollten ihn noch länger an seine Unvernunft erinnern.
Eleonore Hagen musste noch einige Zeit das Bett hüten. Der herbeigeholte Arzt nickte nur zu Elsis Behandlung und empfahl Stein, die Frau nicht länger für Arbeiten einzusetzen, die den Rücken stark beanspruchten. Stein verdrehte entnervt die Augen, weil ihm nicht viel einfiel, was Eleonore zukünftig zu tun bliebe.
Einstweilen gedachte er, sie zu Elsi in die Küche zu stecken. Die beiden Frauen
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