Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
kommen.
„Meine Liebe, haben Sie es sich auch gut überlegt, mit zwei temperamentvollen Backfischen in die Sommerfrische zu fahren?“
„Mein Lieber, was das Temperament angeht, so stehe ich den beiden Backfischen in nichts nach.“
Er bemerkte betreten, in ein Fettnäpfchen getappt zu sein. Konversation mit dem schönen Geschlecht war eben doch schwieriger als verzwicktes geschäftliches Verhandeln. Er wagte einen neuen Vorstoß. „Oh, Sie dürfen mich nicht missverstehen, ma chère Madame. Ich bin sicher schon zu alt, mir überhaupt vorzustellen, wie ich mit einer solchen Aufgabe fertig würde. Mir fehlte für Ihr Vorhaben jegliche Energie.“
Baronin von Plessen fühlte sich nun doch geschmeichelt und beeilte sich, zu versichern: „Nun, mein lieber Graf, ich verfüge über genügend Vitalität, um einen ganzen Schwarm junger Mädchen zu behüten.“
„Meine Tochter und ich stehen tief in Ihrer Schuld und ich möchte Ihnen meinen wärmsten Dank aussprechen, Johanna eine solche Reise zu ermöglichen. Für die Kosten komme ich selbstredend auf.“
„Ja, ja, aber das hat doch Zeit, bis wir wiederkommen.“
„Wann wollen Sie nach Doberan abreisen und wie lange gedenken Sie sich dort aufzuhalten?“
„Oh, ich beabsichtige, am Freitag in Doberan Logis zu nehmen. Wir werden in Güstrow bei einer befreundeten Familie Rast machen und dort eine Nacht verbringen, damit wir im Seebad nicht vollkommen derangiert ankommen. Deshalb möchte ich Donnerstag dieser Woche aufbrechen. Ich kann Ihnen leider noch nicht sagen, wann wir von dort abreisen werden, das wird sich dann aus der Situation ergeben. Seien Sie versichert, rechtzeitig Bescheid zu erhalten.“ Die Baronin lächelte liebenswürdig.
Der Graf erwiderte das Lächeln. Dann stellte er seine Teetasse mit Bedacht ab. Mit ernster Stimme setzte er das Gespräch fort.
„Ich habe eine große Bitte an Sie.“
Madame setzte sich kerzengerade auf, in Erwartung etwas ungeheuer Wichtiges zu erfahren.
„Ich hatte vor, Johanna auf mein Gut mitzunehmen, wollte jedoch meinem Kind den Wunsch nicht abschlagen, Ihre freundliche Einladung anzunehmen. Daraus ergibt sich ein Problem. Ich muss wegen dringender Geschäfte sofort eine Reise antreten. Deshalb bitte ich Sie, Johanna und Elvira schon morgen Ihrer Obhut überlassen zu dürfen.“
Baronin von Plessen sank zusammen, sichtlich enttäuscht über die eher lapidare Erklärung ihres Gastes.
„Aber selbstverständlich, mein lieber Graf, das ist doch eine Bitte, die ich Ihnen allzu gern erfülle. Ich freue mich auf die Gesellschaft der Mädchen. Ach übrigens, wie steht es um Demoiselle Engelmanns Heiratspläne?“
„Wie bitte? Was? Sie meinen doch nicht ...“
Madame weidete sich am entsetzten Ausdruck ihres Opfers. „Nun ja, Elvira ist bereits etwas länger im heiratsfähigen Alter“, formulierte sie umständlicher, als es sonst ihre Art war, „deshalb wäre es doch nur natürlich, wenn die junge Frau ans Heiraten dächte.“
Der Graf tupfte sich unauffällig Schweißperlen von seiner Lippenpartie. Bis er realisierte, Baronin von Plessen habe ihn nur mit der Möglichkeit einer Verheiratung der Gouvernante konfrontiert, vergingen noch ein paar qualvolle Augenblicke. Erleichtert, in nächster Zeit nicht auch noch mit der Einstellung einer neuen Gouvernante beschäftigt zu sein, geriet seine Antwort fast zu knapp, um höflich genannt zu werden: „Das ist Demoiselle Engelmanns Privatangelegenheit. Ich bin überzeugt, die junge Frau weiß, wie wichtig ihre Arbeit für unsere Familie ist“, sagte er lakonisch.
Die Witwe bemerkte eine gewisse Abkühlung der Stimmung ihres Gastes. Um Versöhnung bemüht versicherte sie sofort: „Gewiss, Demoiselle Engelmann ist sich ihrer großen Verantwortung für Johannas Erziehung bewusst. Sie stellt eigene Pläne bestimmt für zwei weitere Jahre zurück. Ich habe bemerkt, wie liebevoll Johanna und Elvira miteinander umgehen.“
„Ja, und ich bin sehr froh darüber.“
Baronin von Plessen war klug genug, das Thema mit der Feststellung des Grafen auf sich beruhen zu lassen.
„Verehrtester, wie lange werden Ihre Geschäfte Sie von Ludwigslust fernhalten?“, fragte sie. Dabei beugte sie sich über den Tisch und legte ihrem Gast eine weitere Süßigkeit auf ein goldgerändertes Desserttellerchen.
„Ich muss innerhalb einer Woche zurück sein, deshalb kann ich Ihnen für die Freude, die Sie meinem Kind mit der Reise zuteil werden lassen, nicht genug danken.“ Der Graf war
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