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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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trotz seines Alters ein gut aussehender Mann. Er widmete der Witwe einen langen Blick.
    Baronin von Plessens Blut geriet in Wallung. Geschmeichelt bekannte sie verlegen: „Sie beschämen mich, Graf. Für die kleine Gefälligkeit überhäufen Sie mich ja geradezu mit Dankbarkeit.“
    Er stand auf, ging auf die Dame des Hauses zu, ergriff ihre zierliche Hand und beugte sich zum Kuss darüber. „Verzeihen Sie, aber ich muss mich nun leider Ihrer angenehmen Gesellschaft entziehen. Ich habe Johanna beim Schneider angemeldet und hoffe, das Kleid entspricht ihrem Geschmack. Wenn nicht, müssen wir wohl noch einige Zeit für Änderungen investieren.“
    „Oh, ich verstehe. Die Angelegenheit duldet selbstverständlich keinerlei Aufschub.“
     
    Johanna stand noch unter dem Eindruck des Nachmittags, als sie Elvira begeistert das neue Kleid, dazu passende Handschuhe, Fächer, seidene Schals und ein Goldkettchen mit Medaillon vorführte. Die plötzliche Eile des Vaters nach Hohen-Lützow aufzubrechen, beunruhigte sie jedoch nicht.
    Vielmehr verband das Mädchen den Umstand mit der Annehmlichkeit, zwei zusätzliche Tage mit seiner Freundin verbringen zu können. Elvira teilte die Begeisterung ihres Schützlings und wirbelte mit Johanna Arm in Arm durch das Zimmer. Am Abend schloss sie die Reisevorbereitungen ab, die vor einer Woche heimlich aufgenommen worden waren. Die für die Kur ausgewählte Garderobe und sonstige unverzichtbare Utensilien wurden unter ihrer Aufsicht von zwei Hausmädchen verpackt und zur Abholung bereitgestellt.
     
    Der Graf begab sich sofort nach seiner Ankunft ins Kontor. Der Se-kretär schrieb noch an der letzten Kopie einer Absage der gräflichen Terminverpflichtungen. Auf dem Schreibtisch seines Herrn hatte er die gefertigten Papiere zur Unterschrift bereitgelegt.
    Zufrieden sah der Graf die Briefe durch, die ausnahmslos in gepflegter Sprache und schöner Handschrift verfasst worden waren. Er griff zur Feder und setzte unter dem charakteristischen Gekratze des Gänsekiels seine Signaturen darunter. Sosehr er die gewissenhafte Arbeit seines Sekretärs schätzte, sparte er doch mit Lob. Seinem Selbstverständnis entsprach es, dass alle seine Angestellten bereits dadurch belobigt seien, in seinem Haushalt tätig sein zu dürfen.
    „Wenn alle Couverts versiegelt sind, können Sie für heute den Dienst beenden. Ich erwarte Sie morgen schon um 9.00 Uhr hier im Kontor. Ab 10.00 Uhr halten Sie sich zur Abfahrt nach Hohen-Lützow bereit“, ordnete er an.
    Wolfgang Zachow war gerade dabei, frisch signierte Briefe abzulöschen. Er unterbrach seine Beschäftigung, weil der Graf sich anschickte den Raum zu verlassen. Er stand auf, verbeugte sich und murmelte seinem Herrn in den Rücken: „Sehr wohl, Euer Gnaden. Gute Nacht, Euer Gnaden.“
     
    Am Vorabend seiner Abreise verlegte der Graf die tägliche Inspektion der Wirtschaftsgebäude mit Pferdestall und Remise, die im hinteren Bereich seines Anwesens lagen, etwas zurück. Er wollte sich Zeit nehmen für ein üppiges Nachtmahl mit seiner Tochter und Elvira, um die beiden angemessen zu verabschieden.
     

Bittere Wahrheiten
     
    Jede Delle der Landstraße fuhr den Insassen des geschlossenen Reisewagens schmerzhaft in die Nieren. Jeder Stoß erinnerte den Grafen an unbedingt notwendige Ausgaben für die Unterhaltung der Straßen, um die sich der Großherzog drückte. Doch während der Reise nach Hohen-Lützow durchquerte man nicht nur fürstliche Domänen, sondern auch ritterschaftlich bewirtschaftetes Land, dessen Wege keinen Deut besser waren.
    Den Grafen überfiel ständig das Bedürfnis, die Verglasung der Kutschenschläge herabzulassen, so die stickige, von Ausdünstungen schwitzender Leiber durchsetzte Luft zu vertreiben. Doch dann tauschte er nur mit hereinwehendem Straßenstaub, der ebenso schnell wieder ausgesperrt werden musste.
    Schließlich begnügte er sich damit, sich ein parfümiertes Taschentuch vor die Nase zu halten und auszuharren. Wolfgang Zachow, der Sekretär, und der Leibdiener des Grafen hatten nicht so empfindliche Nasen. Den beiden Männern war anzusehen, wie sehr sie sich über die Abwechslung ihres ansonsten eintönigen Dienstalltags freuten.
    Am späten Nachmittag, die größte Hitze des Tages war schon vorüber, rollte die staubgepuderte Equipage auf den Vorplatz des Herrenhauses von Hohen-Lützow. Eine Schar neugieriger Kinder begleitete das herrschaftliche Gefährt, hielt sich jedoch im gebührenden Abstand. Eines der Kinder

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