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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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krampfte ihm das Herz zusammen. Angst um seinen Vater, und – nach dessen Betragen – auch Angst um den Bruder. Schnell lockerte er die Halsbinde des Vaters und stellte erleichtert fest, seine Führsorge errege väterlichen Unwillen.
    „Bring mich auf mein Zimmer, Franz.“
    Franz gehorchte sofort, unterließ es auch, den Vater mit weiteren Fragen zu bedrängen. Gemeinsam mit dem Leibdiener brachte er seinen plötzlich der Stütze bedürftigen Vater auf das Zimmer im ersten Obergeschoss. Es ließ sich leider nicht vermeiden, dass ihnen auf dem Weg dorthin mindestens ein halbes Dutzend Dienstboten begegneten. In der Regel wurde die Szene mit offenem Mund aufgenommen.
    Der Leibdiener brachte seinen Herrn zu Bett und stellte aus der Reiseapotheke Medizin bereit, die der Graf gewöhnlich jeden Abend zu sich nahm. Franz dankte dem Mann und schickte ihn mit dem Auftrag hinaus, nach einem Arzt schicken zu lassen.
    Vater und Sohn waren allein. Franz setzte sich ans Bett. Er wagte es noch nicht, Fragen zu stellen, doch sein Gesicht drückte die flehende Bitte aus, endlich zu sagen, was eigentlich los sei.
    „Johann ist verschwunden.“
    Die tonlose Stimme des Grafen flüsterte, doch Franz meinte, sie dröhne ihm in den Ohren. Angst zurrte einen festen Knoten in seinem Magen. Franz suchte nach tröstenden Worten, um seinen Vater und sich zu beruhigen. Doch er sah ein, alle Worte seien nur leere Hülsen, seien ungeeignet, der Situation gerecht zu werden. Franz kniete sich nieder, ergriff eine Hand seines Vaters und drückte sie sanft.
    Die körperliche Zuwendung riss den Grafen aus seiner Trübseligkeit und erinnerte ihn an die Anwesenheit seines jüngeren Sohnes.
    „Franz, mein Junge“, sagte er, seine Stimme zitterte, „ich habe seit dem du Soldat geworden bist, oft daran denken müssen, dich vielleicht vor deiner Zeit zu verlieren. Verzeih mir bitte.“ Die Blicke der Männer trafen sich. „Aber ich habe wirklich nicht ein einziges Mal in Erwägung gezogen, Johann könnte irgendetwas zustoßen. Ich bin mir so unverzeihlich sicher gewesen. Sein plötzliches Verschwinden empfinde ich umso schmerzvoller. Kannst du das verstehen?“
    „Ja, Vater!“ Franz drängten sich Erinnerungen an viele Auseinandersetzungen auf, die er mit seinem Vater geführt hatte. Seinerzeit hatte der Graf sich eine Beamtenlaufbahn für seinen jüngeren Sohn gewünscht. Damals hatte Franz noch die naive Vorstellung beseelt, er solle mit einer langweiligen Stelle abgespeist werden, damit er sich versorgen könne. Er war der festen Meinung gewesen, sein Vater missgönne ihm die Aussicht auf Ruhm und Ehre in der Armee.
    „Vater?“ Franz setzte sich auf. „Erzähl mir bitte, was geschehen ist!“
    „Sei so gut und hol meine Aktenmappe. Wolfgang hat sie dort drüben auf den Tisch gelegt“, bat der Graf.
    Franz nahm die lederne Mappe an sich und wollte sie übergeben.
    „Nein, nein“, wehrte der Graf ab. „Mach sie auf! Du findest dort einen Brief deines Bruders. Lies ihn!“
    Franz gehorchte. Bei der Lektüre von Johanns Zeilen stieg die Erinnerung an ihr gemeinsames Elternhaus wieder auf.
     
    Rostock, den 19. April 1816
    Lieber Vater,
    wenn ich Dich und meine liebe Schwester Johanna mit meinem Brief bei guter Gesundheit antreffe, so soll es mir von Herzen lieb sein. Mir geht es gut und ich danke Dir, lieber Vater, für die Anweisung meiner Studiengebühren und meines Unterhaltes.
    Meine Dankbarkeit ist umso größer, als ich weiß, dass viele meiner Kommilitonen nicht auf die großzügige Unterstützung des Vaters oder anderer Förderer hoffen können und mit allerhand Verrichtungen ihr tägliches Brot und Unterkunft verdienen müssen.
    Ich habe mich mit Frieder Küfer angefreundet. Er ist zwar, wie man hier sagt, ein Bettelstudent, aber sehr helle und hilfsbereit. Er hat mir private Unterweisung erteilt und meine Wissenslücken in dem Labyrinth der Organischen Chemie geschlossen. Er wollte zwar keinen Lohn, ich habe ihn dennoch bezahlt, sosehr dauerte mich seine Erscheinung in seinem abgetragenen Rock und zerschlissenen Schuhen. Die Mahlzeiten habe ich mit ihm geteilt und nicht erwartet, dass ein so schmächtiger junger Mann so viel essen könne. Auch wird es mir ein Rätsel bleiben, wie Frieder, bei dem Aufwand, den er nur für seinen persönlichen Erhalt betreiben muss, sein Pensum des Studiums einhält und mit Erfolg bewältigt.
    Lieber Vater, ich werde Dir wieder schreiben, wenn die Prüfungstermine feststehen und ich die

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