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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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hör auf, mein Ohr zu küssen.«
    »Du bist schon wieder rot geworden«, sagte er. »Aber es steht dir gut. Aber weniger gut steht es dir, wenn du immer nein zu mir sagst, Madame Molotow. Nein, Nein. Nein! Warum wirst du nicht gleich ein Kommunist und kommst mit mir nach Russland?«
    »Danke vielmals, kein Bedürfnis.« Sie bog ihren Kopf zurück, um seinen Lippen auszuweichen.
    »Ich hab's ja gleich gesagt, ich kann mit dir nicht tanzen, du benimmst dich zu schlecht. Und rot steht mir absolut nicht. Ich bin treublau.«
    »Treublau«, wiederholte Sverdlov. »Was bedeutet das? Hat das eine politische Bedeutung?«
    »Ja. Und für manche Leute bedeutet es sehr viel. Treublau, das heißt durch und durch konservativ. Man beschrieb auf diese Weise zum Beispiel die Helden in alten viktorianischen Romanen, treublau der Königin und dem Empire.«
    »Das ist seltsam«, sagte er. ›Treublau. Blau.‹ »Ich muß mir das merken.«
    Als sie wieder an ihrem Tisch saßen, entdeckte Judith auch den anderen Russen mit seiner Freundin. Sie saßen halbwegs zwischen ihrem Tisch und der Tanzfläche. Der Mann blickte zu Sverdlov herüber, so als erwarte er ein Zeichen.
    Und dann stand er so rasch auf, daß wirklich ein Zeichen erfolgt sein mußte, auch wenn sie es nicht bemerkt hatte. Das Mädchen kam ihm langsam nach.
    Es war ein kleiner dunkelhaariger Mann mit einer Brille, jünger als Sverdlov. Das Mädchen war jung und blond, sehr hübsch, mit einem kunstvollen Make-up.
    Sverdlov stand auf und stellte sie vor. Judith hörte den Namen Memenov oder so ähnlich, und die Amerikanerin hieß Miß Soundso.
    Die beiden setzten sich, der junge Mann schien sich unbehaglich zu fühlen, er saß nur auf der Kante seines Stuhles und blickte Sverdlov konzentriert an. Für Judith hatte er nur einen kurzen Blick und ein kleines höfliches Lächeln gehabt.
    »Er spricht nicht sehr gut englisch«, sagte Sverdlov.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte der Russe und erhob sich leicht von seinem Stuhl, er machte eine kleine Verbeugung. »Ich nur sprechen wenig.«
    Judith fragte sich, wie er dann wohl mit der Blonden zurechtkam. Aber die hatte es offenbar nicht so sehr mit dem Reden. Sie hatte gerade nur ›Hallo‹ gesagt, dann blickte sie sich im Raum um und schien ihnen nicht die geringste Aufmerksamkeit zu schenken.
    »Du entschuldigst, wenn wir russisch sprechen?« fragte Sverdlov.
    »Bitte sehr.«
    Er lehnte sich näher zu ihr und sagte: »Nur ein paar Minuten, er wird nicht lange bleiben.«
    Der Ober brachte die Drinks, und Judith tat es dem amerikanischen Mädchen nach, lehnte sich zurück, blickte in die Gegend und überließ die beiden Männer ihrem Gespräch.
    Wie Sverdlov gesagt hatte, dauerte es nicht lange. Sowieso sprach nur er, der junge Mann hörte zu. Und obwohl Judith sich nicht um die beiden hatte kümmern wollen, war es doch interessant zu beobachten, wie Sverdlov in diesen zehn Minuten, die das Gespräch dauerte, ein anderer war. Er sprach ruhig, bestimmt, ohne Lächeln, ohne Gesten, bot dem anderen auch keine Zigarette an, war auf einmal hart, um den Mund hatte er einen grimmigen Zug. Es war ein anderer Mann – nicht der, den sie kannte.
    Und dann mußte ein anderes Zeichen gegeben worden sein, der Befehl zu gehen, der genauso unsichtbar blieb wie der Befehl zu kommen. Der jüngere Mann leerte mit einem Schluck sein Glas, stand auf, zog das Mädchen vom Stuhl hoch, verbeugte sich und ging.
    »Entschuldige bitte«, sagte Sverdlov, »das war sehr langweilig für dich. Ich dachte, die junge Dame würde sich mit dir unterhalten, aber sie war wohl nicht sehr gesprächig.«
    »Sie ist offenbar daran gewöhnt. Wenn er nicht englisch spricht, werden sie nicht viel miteinander reden können.«
    »Er braucht sie nicht, um mit ihr zu reden, sie hat vermutlich andere Talente. Und sie ist harmlos. Wir wissen alles über sie. Sie will kein Geld, sie will Geschenke. Eine Pelzjacke, kostbare Handtaschen, ein goldenes Zigarettenetui. Irgend etwas, was sie herzeigen kann. Damit ihre Freundinnen wissen, was für Erfolg sie bei Männern hat.«
    »Und woher nimmt ein guter Sowjetsozialist das Geld, um Pelzjäckchen und goldene Zigarettenetuis zu kaufen? Es hört sich reichlich kapitalistisch an«, sagte Judith.
    »Das Geld kriegt er von mir«, sagte Sverdlov.
    Jetzt war er wieder er selbst, das ironische Lächeln, die hellen Augen. »Ich zahle seine Ausgaben, denn er ist ein guter Mann und mir treu ergeben. Er tut, was ich sage. Und gerade jetzt habe ich

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