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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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Matchsack und einen Aluminium-Aktenkoffer aus; die Abendsonne schien auf sein graues Haar. Ich stand verlegen auf der Veranda, während sie zu ihm rannte. Sie küssten sich, und ich musste wegsehen. Wusste sie denn nicht, wie leicht das schief gehen konnte, hatte sie gar keine Angst?
    Wir aßen draußen im Innenhof Paella unter einer Lichterkette, deren Lämpchen wie Chilischoten geformt waren. Im Hintergrund sang Emmylou, der Liebling aller Rodeoreiter. Moskitos wimmerten vor sich hin. Claire zündete Citronella-Kerzen an, und Ron erzählte uns von seinem Auftrag in Halifax; er hatte eine Geschichte über eine Bar recherchiert, in der es spukte. Er produzierte Beiträge für eine Fernsehsendung über das Übersinnliche und Okkulte. Anscheinend hatte der Geist im letzten Jahr beinahe einen Besucher der Bar auf der Herrentoilette erstickt.
    »Wir haben drei Stunden gebraucht, um ihn wieder da rein zu bekommen. Selbst zusammen mit dem Filmteam wäre er vor Angst fast durchgedreht. Er war davon überzeugt, dass der Geist diesmal versuchen würde, ihn umzubringen.«
    »Was hättet ihr getan, wenn der Geist wirklich aufgetaucht wäre und es versucht hätte?«
    Ron streckte die Beine auf der Bank aus und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Ich hätte ihn mit der WC -Ente außer Gefecht gesetzt!«
    »Sehr komisch!« Ihr Gesicht hatte die Form eines perfekten Bonbonherzens, doch in ihren Gesichtszügen lag ein Anflug von Misstrauen.
    »Ich hätte ihn auch mit Meister Proper verschwinden lassen können!«
    Während sie herumwitzelten, versuchte ich festzustellen, was Claire so toll an ihm fand. Er war attraktiv, aber nicht umwerfend – mittelgroß, ordentlich, ein feines Gesicht, tadellos rasiert. Er kämmte sich das stahlgraue Haar ohne Scheitel zurück, trug eine randlose Brille und hatte für einen Mann ziemlich rosige Wangen. Haselnussbraune Augen, glatte Hände mit gepflegten Fingernägeln, einen glatten Ehering. Alles an Ron war glatt, ruhig, untertrieben. Er erzählte eine Geschichte, doch es spielte keine Rolle, ob sie uns gefiel oder nicht; nicht wie Barry, der immer auf Applaus gewartet hatte. Er haute einen nicht um. Er schien keine besonderen Bedürfnisse zu haben.
    Sie nahm seinen Teller, schob die Reste auf ihren, stapelte die Teller übereinander und griff nach meinem. »Wenn du nicht aufpasst, könntest du derjenige sein, der eines Tages verschwindet.« Sie sagte es leichthin, doch sie hatte den richtigen Moment verpasst.
    »Der Strudel von La Brea wird mich verschlingen«, sagte er.
    Das Telefon klingelte, und Ron ging durch die geöffneten Flügeltüren, um den Anruf entgegenzunehmen. Wir konnten sehen, wie er sich auf die weiße Steppdecke legte und an seinen Zehennägeln pulte, während er telefonierte. Claire hielt beim Abräumen des Tisches inne, und ihr Gesicht umwölkte sich, löste sich, umwölkte sich wieder. Sie stand am Terrassentisch, fummelte mit den Tellern herum, mit den Essensresten und dem Besteck, und versuchte mitzuhören, was er sagte.
    Er legte auf und kam an den Tisch zurück. In seinem Sonnenschein verflogen ihre Schatten wieder.
    »Arbeit?«, fragte sie, als sei es ihr völlig gleichgültig.
    »Jeffrey wollte vorbeikommen und sich mit mir über ein Skript unterhalten. Ich habe ihm abgesagt.« Er streckte den Arm über den Tisch und ergriff ihre Hand. Es war unerträglich, mit anzuschauen, wie sie vor Freude ganz rot wurde.
    Jetzt fiel ihm ein, dass ich auch noch da war. Ich spielte auf der Tischplatte mit ein paar Reiskörnern aus der Paella herum und legte sie zu einer safrangelben Spirale. »Wir haben einiges nachzuholen.« Er war aalglatt. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er eine einsame alte Hellseherin dazu brachte, die Gespräche mit ihrem toten Mann vor der Kamera auszupacken, dabei ihre knorrige Hand in seiner glatten hielt, der glatte goldene Ehering, seine ruhige Stimme, die sagte: »Fahren Sie fort.«
    Sie erzählte ihm, was wir in der Zwischenzeit unternommen hatten, dass sie mich auf der Fairfax High School angemeldet hatte, dass wir ins Kino und in ein Jazzkonzert im Kunstmuseum gegangen waren. »Astrid ist eine richtige Künstlerin«, sagte sie. »Zeig ihm mal, was du gemalt hast.«
    Claire hatte mir einen großen schwarzen Blechkasten mit Pelikan-Wasserfarben und einen Block dickes Zeichenpapier gekauft. Ich hatte den Garten gemalt, die hängende Chinesische Ulme, die Weihnachtssterne vor der weißen Wand, die Ritterspornähren, die erblühenden Rosen. Kopien

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