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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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des Dürer-Kaninchens. Claire, wie sie im Wohnzimmer Ballettübungen machte. Claire mit einem Glas Weißwein in der Hand. Claire, den Kopf in einen Handtuchturban gewickelt. Ich wollte Ron die Bilder nicht zeigen. Sie ließen zu viel durchblicken.
    »Zeig sie ihm«, sagte Claire. »Sie sind wunderschön.«
    Ich ärgerte mich, dass ich ihm die Bilder zeigen sollte. Ich hatte gedacht, sie wären nur etwas zwischen uns, zwischen ihr und mir. Ich kannte ihn gar nicht. Warum wollte sie, dass ich ihm die Bilder zeigte? Vielleicht, um ihm zu beweisen, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, mich aufzunehmen. Vielleicht, um ihm zu zeigen, wie toll sie mit mir klarkam. Ich holte den großen Zeichenblock aus dem Haus und gab ihn Ron. Dann ging ich in den dunklen Garten und kickte die Köpfe von den wilden Mexikanischen Nachtkerzen, die sich auf dem Rasen ausgesät hatten. Ich hörte, wie er die Seiten umblätterte. Ich wollte ihm dabei nicht zusehen.
    »Schau dir das an!« Er lachte. »Und das. Sie ist ein Naturtalent. Die sind toll!«, rief er mir durch die Dunkelheit zu. Ich trat weiter die Köpfe von den Nachtkerzen ab.
    »Es ist ihr peinlich«, sagte Claire. »Du brauchst nicht verlegen zu sein, Astrid. Du hast echtes Talent. Wie viele Leute können das schon von sich sagen?«
    Die einzige Person, die ich kannte, saß hinter Gittern.
    Eine Grille oder ein Nachtvogel gab quietschende Töne von sich wie ein Hamster im Laufrad. Auf der Terrasse unter der Chili-Lichterkette beschrieb Claire detailliert wie in einem Slapstick, wie sie die Paella zubereitet hatte, und entwickelte dabei eine solche Begeisterung, dass ich Magenkrämpfe bekam. Ich betrachtete Ron in seinem weißen Hemd, das unter der Lichterkette orangerosa schimmerte, wie er mit ihr zusammen lachte. Er hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt, ein Lächeln auf dem liebenswürdigen Gesicht, den sauberen Fuß in der Sandale hatte er über sein jeansbedecktes Knie gelegt. Warum verschwindest du nicht, Ron? Es gab doch genug Wunderheiler, die nur darauf warteten, interviewt zu werden, Tortillawunder, die dokumentiert werden wollten. Doch ihr Lachen klang klebrig wie Pflanzensaft, die nächtlichen Jasminblüten rochen weich wie ein Cremebad.
    »Astrid, bist du noch da?«, rief Claire nach mir und spähte in die Dunkelheit.
    »Ich habe bloß nachgedacht«, sagte ich, riss ein Minzezweiglein unter dem Anschluss für den Gartenschlauch aus und zerquetschte es zwischen den Fingern. Und dachte daran, dass sie in dieser Nacht zusammen in dem Kiefernholzbett unter der Rosenbettwäsche liegen würden und ich wieder allein wäre. Frauen setzten immer Männer an die erste Stelle. Deshalb wurde immer alles so beschissen.
    Nach der Woche, die ich allein mit Claire verbracht hatte, kehrte ich nur sehr widerwillig in die Schule zurück, um die zehnte Klasse auf der Fairfax High School zu beenden. Ich war schon froh, dass ich nicht mehr auf die Hollywood High zurückmusste, wo sie mich aus dem Mülleimer hatten essen sehen. Dies war ein ganz neuer Anfang. Auf der Fairfax High School war ich wieder erfreulich unsichtbar. Jeden Tag, wenn ich von der Schule nach Hause kam, erwartete Claire mich mit einem Sandwich und einem Glas Eistee, einem Lächeln und Fragen. Zuerst fand ich es komisch und überflüssig. Noch nie hatte jemand zu Hause auf mich gewartet, jemand, der sich darauf freute, meinen Schlüssel im Schloss zu hören – selbst als ich klein war nicht. Es kam mir zuerst so vor, als wolle sie mir irgendwelche Vorhaltungen machen, doch so war es gar nicht. Sie wollte bloß von meinem Aufsatz über Edgar Allan Poe hören und meine Zeichnungen der Herzkammern und des Blutkreislaufes sehen. Sie war sehr verständnisvoll, als ich eine Fünf im Algebratest bekam.
    Sie erkundigte sich nach den anderen Schülern, doch ich konnte ihr nicht viel erzählen. Schon zu besten Zeiten war ich nicht besonders gesellig gewesen. Die Schule war eine Aufgabe; ich erledigte sie und ging wieder nach Hause. Ich hatte keinerlei Absicht, der Spanisch- AG oder der Initiative »Schüler gegen Alkohol am Steuer« beizutreten. Selbst die Kifferclique würdigte ich keines Blickes. Ich hatte jetzt Claire, die auf mich wartete. Mehr brauchte ich nicht.
    »Hattest du einen schönen Tag in der Schule?«, fragte sie immer und zog sich einen Stuhl an den kleinen rot-weißen Küchentisch.
    Sie hatte die irrige Vorstellung, dass Fairfax so war wie die High School in Connecticut, auf die sie gegangen war,

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