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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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deiner Meinung nach tun, Teller spülen?« Ron erhob selten die Stimme. Doch er war müde, gerade erst aus Russland zurückgekehrt; er hatte keinen Streit erwartet. Normalerweise gab es ein schönes Abendessen, Küsse und saubere Bettwäsche. »Ich verdiene unseren Lebensunterhalt. Es ist doch bloß ein Job, Claire. Mein Gott, manchmal weiß ich einfach nicht, was in deinem Kopf vorgeht!«
    Doch das war eine Lüge. In Wahrheit ging Ron mit der Angst anderer hausieren. Es schien einen ziemlich großen Markt dafür zu geben. Überall fürchteten sich die Menschen. Bedrohliche Gestalten lauerten in den Tiefen der Fantasie, warteten vielleicht schon im Nachbarauto, am Geldautomaten oder lungerten mit einer 38er im eigenen Hausflur herum. Es gab Gift in der Zahnpasta aus dem Supermarkt. Ebola, Hepatitis C. Ehemänner verschwanden spurlos auf dem Weg zum Spirituosenladen. Kinder wurden tot in Gräben aufgefunden, mit verstümmelten Händen. Bilder verschwanden aus ihren Rahmen, die Umrisse lösten sich auf. Die Leute wollten Monster, Geister und Stimmen aus dem Grab. Etwas Fremdartiges und Planvolles, aber nicht die üblichen sinnlosen Verbrechen wie zum Beispiel Halbstarke, die sich wegen ihrer Lederjacken abknallten.
    Diese Dinge lieferte Ron ihnen: Angst im Rahmen. Außerirdische waren immer noch besser als verrückte Gewalttaten. Rons Karriere war auf Zynismus und Scheinheiligkeit gegründet.
    Claires Antwort klang so leise wie das Biegen eines Metallblechs.
    Ihn jedoch konnte ich Wort für Wort verstehen: »Glaubst du etwa, ich komme nach einem Vierzehn-Stunden-Tag von irgend-so einer Parapsycho-Konferenz in Yakutsk ins Hotel zurück, noch dazu mit Jetlag, und mir ist dann danach, ordentlich einen draufzumachen? Hey, super, schickt mir die schnuckligen Blondinen aufs Zimmer! Vielleicht solltest du mal versuchen, dir wieder eine Arbeit zu suchen, dann wüsstest du, wie fertig man sich am Ende eines langen Tages fühlt!«
    Ich spürte, dass seine Worte sich in ihr Fleisch brannten wie ein Peitschenhieb. Ich versuchte zu verstehen, was sie sagte, doch ihre Stimme war nur noch ein leises Murmeln. Claire konnte sich nicht wehren, sie rollte sich zusammen wie ein Blatt unter einem Glas.
    »Astrid braucht dich nicht andauernd um sich. Du musst nicht mit Milch und Plätzchen zu Hause auf sie warten. Meine Güte, Claire! Sie ist eine junge Frau. Ich kann mir denken, dass sie ganz gerne mal ein paar Stunden für sich hat. Dass sie sich gerne ein paar Freunde in ihrem Alter suchen würde, wenn du ihr die Möglichkeit ließest.«
    Aber ich brauchte sie , Ron. Niemand hatte je auf mich gewartet, wenn ich von der Schule nach Hause kam – und Milch trank ich nie. Noch nicht mal das wusste er. Ihr lag etwas an mir. Konnte er nicht verstehen, was das für mich bedeutete – und für sie? Hätte er sich für sie interessiert, hätte er nie solche Dinge zu ihr gesagt. Wie konnte er es wagen, so zu tun, als ob er sie liebte? Ich schob meine Tür einen Spalt auf, um zu hören, was sie sagte, doch sie musste geflüstert haben.
    »Natürlich rufen sie nicht mehr an. Gloria sagt, sie hat in einem fort angerufen, du hättest aber nie den Hörer abgenommen. Kein Wunder, dass sie irgendwann aufgegeben haben.«
    Jetzt konnte ich nur noch ihr Weinen hören. Sie weinte wie ein Kind, aufschluchzend, fast wie ein Schluckauf, mit laufender Nase. Und den beruhigenden Klang seiner Stimme.
    Ich konnte mir genau vorstellen, wie er sie in die Arme nahm, sie an seiner Brust hin und her wiegte, ihr über das Haar strich. Und das Schlimmste war: sie würde es zulassen. Und sie würden miteinander schlafen, dann würde sie einschlafen und denken, dass er doch, trotz allem, so nett zu ihr war. Dass er sie wohl doch lieben musste. Alles würde schon wieder gut werden. Das war seine Art: Erst verletzte er sie, und dann brachte er alles wieder in Ordnung. Ich hasste ihn. Er kam nach Hause, brachte sie aus der Fassung und ließ sie kurz darauf wieder allein.
    Ein Brief von meiner Mutter lag in der Post. Ich wollte ihn gerade aufmachen, als ich merkte, dass er gar nicht für mich war. Er war an Claire adressiert. Warum in aller Welt schrieb meine Mutter an Claire? Ich hatte ihr nie von Claire erzählt. Sollte ich den Brief an Claire weitergeben? Ich beschloss, lieber kein Risiko einzugehen. Meine Mutter könnte ihr alles Mögliche schreiben. Sie bedrohen, sie anlügen oder in Angst versetzen. Ich konnte immer noch sagen, ich hätte ihn aus Versehen geöffnet. Ich

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