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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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Kopf an ihren, während sie einschlief. Ich betrachtete sie im Licht der Nachttischlampe, die neuerdings ständig brannte. Ihr Mund stand offen, sie schnarchte schwer. Ich redete mir ein, dass alles wieder gut werden würde. Ron würde nach Hause zurückkehren oder auch nicht, und wir würden so weiterleben wie bisher. Er würde mich nicht wirklich wegschicken. Er wollte sich nur nicht anschauen müssen, wie verstört sie war. Sie durfte es ihm bloß nicht zeigen; mehr verlangte er nicht. Eine gute Vorstellung.

21

    Claire schlief noch, als ich aufwachte. Ich stand vorsichtig auf, um sie nicht zu wecken, und ging in die Küche. Ich nahm mir eine Portion Cornflakes. Es war sehr hell und still, ein reines, kristallklares Licht. Ich war froh, dass Ron weg war. Wenn er zu Hause wäre, würde das Telefon klingeln, die Kaffeemühle jaulen; Claire wäre wahrscheinlich schon auf und würde mit ihrem angemalten Lächeln Frühstück machen. Ich holte die neuen Farben und malte die Lichtreflexe auf dem rohen Holzfußboden, das gelbe Tablett aus Sonnenstrahlen; malte, wie das Licht die Gardinen hochkletterte. Ich liebte solche Morgen. Ich konnte mich noch genau erinnern, wie ich als kleines Kind im ersten Sonnenlicht gespielt hatte, wenn meine Mutter lange schlief. Einen Wäschekorb auf dem Kopf, Quadrate aus Licht. Ich wusste noch genau, wie die Sonne auf meinem Handrücken ausgesehen und wie sie sich angefühlt hatte.
    Nach einer Weile sah ich nach Claire. Sie schlief immer noch. Das Zimmer lag in dunklem Grau, kein Morgenlicht drang durch die Jalousien der nach Westen zeigenden Flügeltüren. Die Luft roch abgestanden. Eine ihrer Hände lag quer über dem Kopfkissen; ihr Mund stand offen, doch sie schnarchte nicht.
    »Claire?« Ich beugte den Kopf direkt über ihr Gesicht. Sie roch nach Sherry und irgendetwas Metallischem. Sie bewegte sich nicht. Ich legte ihr die Hand auf die Schulter, schüttelte sie vorsichtig. »Claire?« Sie reagierte nicht. Mir sträubten sich die Haare auf Nacken und Armen. Ich konnte sie nicht atmen hören. »Claire?« Ich schüttelte sie wieder, doch ihr Kopf baumelte zur Seite wie der von Owens Giraffe. »Claire, wach auf!« Ich hob sie an den Schultern hoch und ließ sie wieder fallen. »Claire!«, schrie ich sie an und hoffte, dass sie die Augen endlich aufmachen, dass sie sich die Hand an den Kopf halten und mich auffordern würde, nicht so zu schreien, ich verursache ihr Kopfschmerzen. Das war doch nicht möglich. Sie spielte mir etwas vor, sie wollte mich hereinlegen. »Claire!«, schrie ich in ihr schlafendes Gesicht, pumpte mit meinen Händen auf ihrer Brust herum, versuchte, ihren Atem zu hören. Nichts.
    Ich suchte den Nachttisch ab, den Boden. Am anderen Ende des Zimmers fand ich die Tabletten zusammen mit der leeren Sherryflasche auf dem Boden. Das hatte ich herunterfallen hören, als wir durch die Tür sprachen. Das Tablettengläschen war offen, die Tabletten herausgefallen, kleine rosa Pillen. »Butalan«, stand auf dem Etikett. Gegen Schlaflosigkeit. Nicht zusammen mit Alkohol einnehmen. Das Führen von Fahrzeugen und die Bedienung von Maschinen sollten unterbleiben.
    Die Töne, die ich ausstieß, waren kaum mehr Schreie. Ich wollte Gott etwas in sein fettes, hässliches Auge werfen. Ich warf die Kleenex-Schachtel auf den Boden. Die Messingglocke. Ich schlug die Leselampe vom Nachttisch herunter. Ich zerrte den Magnetkasten unter dem Bett hervor und schleuderte ihn durchs Zimmer. Rons Schlüssel, Stifte und Nagelknipser fielen heraus, die Polaroid-Fotos. Wozu? Ich riss die Jalousien von den Flügeltüren herunter, und das Zimmer wurde hell. Ich hob einen hochhackigen Schuh vom Boden auf, schlug damit die Fensterscheiben ein, schnitt mir dabei die Hand auf, fühlte aber nichts. Ich nahm ihre silberne Haarbürste und schleuderte sie wie einen Baseball in den runden Spiegel. Ich nahm das Telefon und schlug den Hörer gegen das Kopfteil des Bettes, bis er Dellen im weichen Kiefernholz zurückließ und auseinander brach.
    Ich war erschöpft und fand nichts mehr zum Werfen. Ich setzte mich wieder auf das Bett und nahm ihre Hand. Sie war so kalt. Ich presste sie an meine heiße, nasse Wange, versuchte sie aufzuwärmen; strich ihr das dunkle Haar aus dem Gesicht.
    Wenn ich das bloß geahnt hätte, Claire! Meine schöne, verdrehte Claire. Ich legte meinen Kopf auf ihre Brust, dorthin, wo kein Herz mehr schlug. Mein Gesicht dicht neben ihrem auf dem geblümten Kopfkissen, atmete ich ihren Atem

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