Weisser Oleander
Schnürchen redete meine Mutter weiter und ließ dabei keinen Trumpf aus: »Die Nachbarn haben in dieser Nacht sogar die Polizei gerufen. Sie müssen das doch noch in den Akten haben. Und jetzt beschuldigt er mich, bei ihm eingebrochen zu sein? Der arme Kerl, also wirklich! So attraktiv ist er nun auch nicht; es muss ihn schwer mitgenommen haben.«
Ihr Hass glitzerte unwiderstehlich. Jetzt konnte ich ihn sehen, den Edelstein, es war ein Saphir, blau wie die kalten Seen Norwegens. Oh, Inspector Ramirez, sprachen ihre Augen, Sie sind ein so gut aussehender Mann – wie können Sie Verständnis für einen hoffnungslosen Typen wie Barry Kolker aufbringen?
Wie lachte sie, nachdem er wieder gegangen war.
Das nächste Mal sahen wir Barry auf dem Rose-Bowl-Flohmarkt, wo er gern nach kitschigen und witzigen Mitbringseln für seine Freunde suchte. Meine Mutter trug einen Hut, der ihr Gesicht mit Lichtpunkten tüpfelte. Kaum hatte er sie erblickt, drehte er sich weg, die Angst stand ihm im Gesicht geschrieben. Doch dann besann er sich eines Besseren, wandte sich wieder um und lächelte uns an.
»Er ändert seine Taktik«, flüsterte sie. »Da kommt er.«
Er ging direkt auf uns zu, eine Oscar-Nachbildung aus Pappmaché in der Hand. »Meinen Glückwunsch zu deiner Vorstellung bei Ramirez«, sagte er und hielt ihr den Oscar hin. »Beste Schauspielerin des Jahres!«
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte meine Mutter. Sie hielt meine Hand fest, zu fest, doch ihr Gesicht war lächelnd und entspannt.
»Das weißt du ganz genau«, sagte er. Er klemmte sich den Oscar wieder unter den Arm. »Aber deshalb bin ich nicht hergekommen. Ich dachte, wir könnten das Kriegsbeil begraben. Sieh mal, ich gebe ja zu, dass ich ein bisschen weit gegangen bin, als ich die Bullen gerufen habe. Ich weiß, ich war ein Arschloch, aber sieh mal: Du hast versucht, mir die Arbeit eines ganzen Jahres zu zerstören. Selbstverständlich hatte mein Agent einen Vorentwurf, Gott sei Dank – aber trotzdem. Warum lassen wir es jetzt nicht einfach gut sein?«
Meine Mutter lächelte und verlagerte ihr Gewicht von einem Bein aufs andere. Sie wartete darauf, dass er etwas tun, etwas sagen würde.
»Es ist nicht so, dass ich dich als Mensch nicht respektiere«, sagte er, »und als Schriftstellerin. Wir alle wissen, dass du eine begabte Dichterin bist. Ich habe sogar bei ein paar Zeitschriften ein gutes Wort für dich eingelegt. Können wir jetzt nicht zur nächsten Phase übergehen und einfach Freunde sein?«
Sie kaute auf ihrer Lippe herum, als ob sie ernsthaft über das, was er sagte, nachdachte, während sie die ganze Zeit ihre Fingernägel in meine Handfläche bohrte, bis ich Angst bekam, dass sie gleich auf der anderen Seite wieder austreten würden. Schließlich sagte sie mit ihrer tiefen, vollen Stimme: »Klar können wir das. Ja, warum eigentlich nicht.«
Daraufhin schüttelten sie sich die Hände. Er sah immer noch etwas misstrauisch, aber erleichtert aus, als er seine Schnäppchenjagd wieder aufnahm. Und ich dachte mir, dass er sie immer noch nicht durchschaut hatte.
An diesem Abend gingen wir an seinem Haus vorbei. Inzwischen hatte er vor allen Fenstern Riegel angebracht. Sie strich mit den Fingerkuppen über seine neue Sicherheitstür, als ob sie einen Pelz streichelte. »Koste seine Angst. Sie schmeckt genau wie Champagner: kalt und spröde, ohne jede Süße.«
Sie klingelte. Er öffnete die innere der beiden Türen und starrte uns durch das Sicherheitsgitter an. Lächelte unsicher. Der Wind kräuselte die Seide ihres Kleides, zerzauste ihr mondbleiches Haar. Sie hielt die Flasche Riesling hoch, die sie mitgebracht hatte. »Ich dachte, jetzt, wo wir doch Freunde sind …«
»Ingrid, ich kann dich nicht hereinlassen«, sagte er.
Sie lächelte und ließ ihren Finger flirtend an einem der Gitterstäbe entlanggleiten. »Na – ist das die Art, einen Freund zu behandeln?«
Spät abends unter dem Glitzern des blankpolierten Himmels schwammen wir im warmen Aquamarinblau des Pools, begleitet vom Rascheln der Palmen. Meine Mutter ließ sich auf dem Rücken treiben und summte vor sich hin. »Ach, ist das herrlich.« Sie planschte vorsichtig mit den Fingern und ließ ihren Körper langsam im Kreis treiben. »Ist es nicht komisch? Ich genieße meinen Hass viel mehr, als ich die Liebe je genossen habe. Liebe ist launisch. Ermüdend. Sie stellt Forderungen. Liebe nutzt dich aus und ist unzuverlässig.« Sie hielt die Augen geschlossen. Wassertropfen
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