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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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durch die Gegend. Ich versuchte mich unter das Bett zu zwängen.
    »Bist du völlig durchgedreht?« Jetzt rangen Ray und Starr miteinander. Ich schob mich unter dem Bett nach vorn, bis ich sie sehen konnte. Er drehte ihr den Arm auf den Rücken und nahm ihr den Revolver ab. Er war nackt und beugte sie an ihrem Arm nach hinten, sodass sein Schwanz sich gegen ihre Pobacken presste. Ihre Titten zeigten zur Decke hoch und zitterten wie kleine verschreckte Tiere, während er sie mit Hüftstößen zur Tür hindrängte.
    »Fick dich, Ray, du Scheißkerl!«
    »Aber immer doch«, sagte er, während er sie nach draußen schubste.
    Vielleicht trieben sie es jetzt und vergaßen mich dabei völlig. Der Wandschrank hatte ein Loch. Ich begann mich anzuziehen. Hier würde ich nicht länger bleiben, nicht bei dieser durchgeknallten Betrunkenen in einem Haus voller Waffen. Noch heute Abend würde ich meinen Sozialarbeiter anrufen. Ich würde Ray mitteilen, wo ich war, doch hier konnte ich unmöglich bleiben.
    Dann hörte ich wieder Gerangel aus ihrem Zimmer, und plötzlich war Starr zurück und schoss auf mich, während ich mich gerade in meine Kleidung kämpfte. In meiner Schulter flammte ein Schmerz auf, raste wie Feuer meine Rippen entlang. Ich stolperte zur Kommode, um hinaufzuklettern und aus dem Fenster zu fliehen, doch sie schoss wieder, und in meiner Hüfte explodierte etwas. Ich fiel zu Boden. Ich konnte ihre korallenrot lackierten Fußnägel sehen. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst die Finger von ihm lassen!« Die Zimmerdecke, keine Luft, metallischer Geruch nach statischer Entladung, Schießpulver, meinem Blut.
    Licht auf meinen Augen. Hände, die mich bewegten. Jemand schrie. Gott – Uniformen, Fragen. Bärtiger Mann; Frau, schief zugeknöpfte Bluse. Taschenlampe in meinen Augen. »Wo ist Ray?«, fragte ich und drehte den Kopf vom Licht weg.
    »Astrid?« Davey, Licht auf seinen Brillengläsern. Hielt mich fest. »Sie kommt zu sich.«
    Noch ein Gesicht. Blond, puppig. Falsche Wimpern. Schwarzes Hemd, SS . »Astrid, wer hat das getan? Wer hat auf dich geschossen? Sag es uns nur. Sag, wer das war.«
    Davey schob sich die Brille auf der Nase hoch. Blickte mir in die Augen. Er schüttelte den Kopf, kaum wahrnehmbar, doch ich sah es.
    Im Flur drückten sich die beiden kleinen Jungen aneinander, sie hatten Jacken über ihre Schlafanzüge gezogen. Owen umklammerte die Plüschgiraffe mit dem gebrochenen Hals, ihr Kopf hing an seinem Arm herunter. Peter hielt das Einmachglas mit Eidechsen. Pflegekinder. Sie wussten, wie es für sie weitergehen würde.
    »Astrid, was ist passiert? Wer hat dir das angetan?« Ich schloss die Augen. Wie konnte ich diese Frage überhaupt beantworten; wo sollte ich anfangen?
    Der Bärtige tupfte meinen Arm ab, schob eine Nadel hinein, intravenös.
    »Wird sie wieder gesund werden?«, fragte Davey.
    »Das hast du großartig gemacht, Junge. Ohne dich wäre sie schon verblutet.«
    Unter mir Hände. Feuerstürme aus Schmerz, als sie mich auf die Trage hoben. Schreien. Feuer. Feuer. Der Bärtige hielt die Infusionsflasche hoch.
    »Ja, so ist’s gut«, sagte er. »Ganz entspannt sein.«
    Ich starrte Davey in die Augen und wusste, dass er sich kaum besser fühlte als ich. Er hielt mir die Hand, und ich umklammerte seine, so fest ich konnte, obwohl die Schmerzmittel mich allmählich betäubten. »Meine Sachen.«
    »Die holen wir später.« Die Sozialarbeiterin. Konnte noch nicht mal ihre Bluse richtig zuknöpfen.
    Davey suchte ein paar Dinge zusammen, die Bücher meiner Mutter, mein Skizzenbuch, einige Bilder, das Plakat mit dem Tierkot. Aber Ray … »Davey, mein Kästchen.«
    Daveys Gesicht verdüsterte sich. Er hatte die Spuren gelesen. Mein Gehirn zerrann in blaugrüne und gelbe Farben, glitzerndes Tiffany-Glas. »Bitte«, flüsterte ich.
    »Lass gut sein, Schätzchen. Du musst jetzt mit uns kommen.«
    Er griff nach dem hölzernen Schmuckkästchen, dabei verzerrte sich sein Gesicht so wie an dem Tag, als seine Schulter ausgerenkt war. Er blieb bei mir, während sie mich zum Notarztwagen rollten, und schüttelte die puppige Frau im schwarzen Hemd einfach ab, als sie versuchte, ihn wegzuführen. Oben am Himmel leuchtete der Wiegenmond wie ein silberner Reifen. Der Bärtige sprach mit mir, während er mich hinten in den Rettungswagen lud. »Entspann dich, du musst dich jetzt ausruhen. Wir haben deine Sachen.« Dann schlossen sich die Hecktüren, Davey verschwand, die Nacht verschluckte ihn, verschluckte sie

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