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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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dachte ich und versuchte mir ebenfalls nichts anmerken zu lassen, doch nach einiger Zeit fragte ich mich, ob sie wirklich nur gut schauspielerte oder mich völlig vergessen hatte.
    Liebe Astrid,
das Gefängnis-Sonderheft von Witness ist erschienen; du musst es dir unbedingt kaufen, sie haben mein Gedicht ganz abgedruckt. Es geht über sieben Seiten, illustriert mit Fotos von Ellen Mary McConnell. Die Reaktionen waren überwältigend. Ich habe sie überredet, eine kurze Notiz aufzunehmen, in der ich demütig darauf hinweise, dass Briefmarken, Bücher und Geldspenden gern entgegengenommen werden.
    Schon habe ich neue Freunde gefunden. Zum Beispiel den reizenden Dan Wiley, Häftling M143522, der wegen bewaffneten Raubüberfalls zwölf Jahre in St. Quentin einsitzt. Dan »the Man«, wie er sich selbst nennt, schreibt mir fast täglich, eine Folge von Hardcore-Pornofantasien, in denen ich als Hauptdarstellerin agiere. Die bisher beste ist eine, in der er mich auf der Motorhaube seines 72er Mustangs sodomisiert und dabei den Sonnenuntergang über Malibu betrachtet. Klingt das nicht romantisch? Hatte der Wagen in jenem Jahr eigentlich eine Kühlerfigur?
    Eine Frau hat mir gerade die gesammelte Anne Sexton geschickt. Halleluja! Endlich etwas anderes zum Lesen! Die einzigen Bücher in der Gefängnisbibliothek ohne wogende Mieder auf dem Titelbild sind eine Großdruckausgabe von »Krieg und Frieden« und ein zerlesener Jack London. Jaul, Jaul! Natürlich hat mir diese stille Bewunderin auch ein Bündel der allergrauenvollsten Po-äää-siiee zur Begutachtung zugesandt. Sie lebt auf einer Farm in Wisconsin, in einer Art in die Jahre gekommenen Hippie-Kommune, wo sie ihre eigene Wolle spinnt. Wie kann jemand, der Sexton liebt, nur so unerträglich schlechte Arbeit produzieren? Ich bin eine Frrrauu, hörrt ihr mein Gebrrüll. Dann brüll doch einfach, bitte, es wäre viel weniger peinlich für alle Beteiligten.
    Jedenfalls glaubt sie, ich sei eine Gefangene des Patriarchats, eine Märtyrerin im kleinen Stil. Solange ihre Solidarität mit großzügigen Gaben einhergeht – meinetwegen: Alle Macht dem Volke. Freiheit für Huey! Freiheit für Ingrid Magnussen!
    Nicht ein Wort über mich. Wie geht es dir, Astrid? Bist du glücklich? Du fehlst mir. Es schien Ewigkeiten her zu sein, seit sie sich mit der Möglichkeit beschäftigt hatte, mich zu verlieren. Ich war in den Schatten zurückgetreten. Meine Aufgabe bestand mal wieder darin, ihre Triumphe zu teilen und mit ihr gemeinsam über ihre unglücklichen Bewunderer zu kichern, als eine Art Taschenspiegel und Studiopublikum. Mir wurde klar, dass ich genau da war, wo sie mich haben wollte: in sicherem Gewahrsam, unglücklich untergebracht bei Marvel Turlock; eine Gefangene, die in ihrer türkisen Zelle vor sich hin schmorte und zu einer Künstlerin heranwuchs, zu jemandem, den sie vielleicht eines Tages gern kennen lernen würde. Während ich mir doch nur wünschte, dass sie mich jetzt wahrnahm, so, wie sie mich an jenem Tag wahrgenommen hatte, als ich sie im Gefängnis besucht hatte. Dass sie mich kennen lernen wollte; wissen wollte, was ich dachte, wie ich mich fühlte.
    Ich schrieb ihr von Olivia, über eine andere Art zu sein. Ich legte Zeichnungen von Olivia bei, wie sie auf der Couch lag und Magie aus der Luft fing. Du bist nicht die einzige Schönheit auf der Welt, Mutter. Es gibt poliertes Teakholz genauso wie Alabaster, gekräuseltes Mahagonibraun ebenso wie Seide. Und eine Welt der Befriedigung, wo du nur Zorn und Verlangen gefunden hast. Die Welt teilt sich für Olivia, sie liegt ihr zu Füßen, während du dich hindurchhackst wie durch einen Dornenwald.
    Während der langen trüben Sommernachmittage schickte Marvel mich mit den Kindern in den Park, manchmal holte sie uns erst zum Abendessen ab. Ich sollte Erfrischungen kaufen und ihnen auf die Rutsche helfen, ihre Sandkastenkriege schlichten und ihnen beim Schaukeln Schwung geben. Meistens saß ich auf dem Rand des Sandkastens, zusammen mit den anderen Müttern, die mich jede auf ihre Weise ignorierten. Die Latino-Mütter, selbst noch halbe Kinder, aber schon streng geschminkt wie Kabuki-Schauspieler, taten sich mit ihren Buggys wichtig, und die älteren amerikanischen Muttis mit ihren reizlosen Pfannkuchengesichtern rauchten Zigaretten und redeten über ihre drei Lieblingsthemen: Ärger mit den Autos, Ärger mit den Männern, Ärger mit den Söhnen. Ich zeichnete die Frauen, wie sie sich unterhielten, die Köpfe mal dicht

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