Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
Vom Netzwerk:
und eine Wasserpumpe für den Laden abzuholen. Auf dem Rückweg aus der Stadt sah ich einen von Weldon Sonniers Firmenwagen aus dem Verkehr ausscheren und unter den Bäumen vor dem katholischen Heim für behinderte Kinder parken.
    Es war Weldon. Er trug braune Hosen mit rasiermesserscharfer Bügelfalte und ein tailliertes T-Shirt, wie es Halbstarke in den fünfziger Jahren getragen hatten, und ging den Bürgersteig hoch zum Eingang, in jeder Hand eine volle Einkaufstüte. Ich mußte an der Ampel halten, trommelte mit den Fingernägeln auf die Hupe, schaltete das Radio mindestens dreimal an und aus, innerlich fest entschlossen, den Heimweg fortzusetzen und die Konfrontation mit Weldons Stolz, seiner Sturheit und seinem sorgsam behüteten Lager gravierender persönlicher Probleme nicht weiter voranzutreiben, als unbedingt nötig war.
    Die Ampel wurde grün, und ich fuhr einmal um den Block herum und parkte gegenüber von Weldons Laster auf der anderen Straßenseite. Der Mond war aufgegangen, und der Himmel im Norden, wo es noch nicht regnete, sah aus wie hell erleuchtete verwaschene Tinte. Ich ging auf den Eingang zu.
    Warum?
    Weil er wissen muß, daß seine Probleme nicht weniger werden, indem er einen Polizeibeamten auf der Plattform eines Ölbohrturms niederschlägt, sagte ich mir.
    Aber das war es nicht. In Wahrheit suchte ich nach einer Möglichkeit, an Weldon zu glauben, genauso, wie man manchmal jemanden, der einem lieb und teuer ist, geradezu dazu ermutigt, einen anzulügen. Vielleicht wollte ich aber auch nur irgendwie meine Befürchtungen zerstreuen, daß der Tag näher kam, wo ich ihn wegen seiner Beziehungen zu Joey Gouza zur Strecke brachte. Bringen mußte.
    Aber was konnte mich in einem katholischen Kinderheim erwarten, das mich darin weiterbrachte, Weldon schließlich aus den Ermittlungen aussparen oder die Mörder eines Deputy Sheriffs oder auch nur einen rassistischen Politiker zur Strecke bringen zu können.
    Antwort: Nichts.
    Ich trat durch die Haustür in eine dezent beleuchtete und makellos saubere Eingangshalle mit Eichenfußboden, an deren Wänden auf Sockeln Statuen standen, die den hl. Antonius, die hl. Theresa und Jesus darstellten, und offenstehende Glastüren gaben den Blick in einen großen Aufenthaltsraum frei.
    In dem Raum waren die Kinder, die niemand wollte. Sie waren zurückgeblieben, spastisch, mongoloid, mit deformierten Gliedmaßen zur Welt gekommen, gefesselt an Schutzverbände aus Metall, mit Drähten an elektronische Geräte auf Rollstühlen angeschlossen. Auf dem Boden verstreut lag überall zerrissenes Geschenkpapier, bunte Bänder und Schleifen, und Schachteln, die alle möglichen Arten von Spielsachen enthalten hatten. Er mußte mehrmals hin- und hergelaufen sein.
    Weder die Nonnen noch die Kinder sahen in meine Richtung. Weldon hatte die Schuhe ausgezogen und lief mitten im Zimmer auf Händen. Das Blut war ihm in den Kopf gestiegen, bis sein Gesicht fast lila war, alle Muskeln zitterten vor Anspannung, während aus seinen Hosentaschen allerlei Münzen und Schlüssel purzelten und die Kinder vor Vergnügen kreischten.
    Als er schließlich mit Schwung auf dem Rücken zu liegen kam, wie verrückt grinsend, die Augen funkelnd vor Anstrengung, applaudierten ihm die Kinder und die Nonnen, als hätten sie soeben den größten Luftakrobaten der Welt bei der Arbeit erlebt.
    Er setzte sich auf und rieb sich die Knie, immer noch grinsend. Dann sah er mich.
    Ich winkte ihm mit zwei Fingern zu. Einen Augenblick lang trafen sich unsere Blicke, und er sah mir in die Augen, verwirrt, vielleicht etwas verlegen, und dann wandte er sich wieder den Kindern zu und sagte: »Hey, Kinder, ihr hattet heute Besuch vom Eisverkäufer. Schwester Agnes sagt, ihr sollt mal schauen, was er so mitgebracht hat.«
    Ich machte kehrt und ging wieder hinaus in die Nacht, wo gerade ein Blitz über den Himmel zuckte und der Geruch von Regen auf warmem Beton die Luft erfüllte.
    In der Nacht regnete es heftig, und als die Sonne am Morgen aufging, war sie gelb und heiß und zog dicke Nebelschwaden über die Marsch. Ich stand früh auf, ging runter zum Dock, um Batist zu helfen, dann frühstückte ich mit Bootsie und Alafair in der Küche. Der Garten hinter dem Haus war naß und lag noch in bläulichen Schatten, und die Blüten des Tupelobaums strahlten blutrot, wo die Sonne die Baumwipfel streifte.
    »Was wirst du heute unternehmen, Kleines?« sagte ich zu Alafair.
    »Bootsie geht mit mir in die Stadt, einen neuen

Weitere Kostenlose Bücher