Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

problematischen Teil, meinst du dann nicht, daß sich die Anwälte von Gouza genau die gleichen Informationen verschaffen können? Und meinst du wirklich, daß sie diese Informationen nicht dazu verwenden werden, deine Schwester auseinanderzunehmen?«
    »Jetzt spuck’s schon aus oder halt’s Maul und mach, daß du hier wegkommst.«
    »Sie ist nicht nur deine Schwester. Sie sieht sich auch als deine Frau, deine Geliebte, deine Mutter. Sie würde alles für dich tun. Du bist ihr Leben. Und du elender Dreckskerl weißt es.«
    Er hatte bereits richtig Stand gefaßt, als er zuschlug. Er erwischte mich am Kinn, und mein Kopf wurde nach hinten gerissen, so daß der Bauhelm herunterfiel und über den Metallboden der Plattform rollte.
    Ich richtete mich wieder auf, die eine Hand am Geländer, und blickte ihm ins Gesicht. Die Haut darin war zum Platzen gespannt, und die sonnengebräunte Haut in seinen Augenwinkeln war in kleine weiße Fältchen gezogen.
    Die Arbeiter auf der Plattform starrten ungläubig zu uns herüber.
    Ich fuhr mir mit dem Daumen übers Kinn.
    »Im Gerichtssaal werden sie dich zu Kleinholz machen, Weldon«, sagte ich. »Gouza wird nicht einmal in den Zeugenstand müssen. Statt dessen wird es so sein, als ob du und Drew die Angeklagten wären, und die Anwälte der Verteidigung werden ein Bild von euch malen, das die feuchten Träume eines Pornographen übertrifft.«
    Ich sah, wie sich seine Hand bewegte und ein Ruck durch seine Augen ging, als hätte er eine Ohrfeige bekommen.
    »Vergiß es«, sagte ich. »Einen hattest du gut. Wenn du es noch mal versuchst, wanderst du wegen Angriffs auf einen Polizeibeamten hinter Gitter, das garantier’ ich dir.« Ich hob den Bauhelm vom Boden der Plattform auf und drückte ihn ihm in die Hände, preßte ihn gegen seine Brust. »Schönen Dank noch für die Besichtigungstour auf deinem Bohrturm. Ich empfehle dir, dir einen guten Anwalt zu nehmen und dich ausführlich darüber beraten zu lassen, ob es so schlau ist, jemanden zum Meineid anzustiften. Oder du bewirbst dich irgendwo als Pilot in einem Land, das kein Auslieferungsabkommen mit den Vereinigten Staaten hat. Wir sehen uns, Weldon.«
    Ich kletterte die eisernen Stufen hinunter und ging zu meinem Wagen. Ich hörte die Leinenmarkise, die im heißen Wind flatterte, das lose Ende einer Kette, das metallisch hell gegen ein Stahlrohr schlug, während die Arbeiter auf der Plattform betreten schwiegen.
    Am nächsten Morgen überquerte ich den Mississippi auf der Brücke über den Interstate 10 und fuhr nach Baton Rouge. Der Fluß führte um diese Jahreszeit viel Wasser und Unmassen von Schlamm mit sich. Er war an dieser Stelle fast eine Meile breit, und die Ölbarkassen sahen von der Brücke wie winzige Spielzeuge aus. Am östlichen Ufer reihten sich gewaltige Ölraffinerien und Aluminiumwerke aneinander, aber wie immer war es die Spitze des Capitols, die aus dem flachen Labyrinth von Waldungen und Grünanlagen in der alten Innenstadt hervorragte, die mir als erstes ins Auge fiel, als ich den höchsten Punkt der Brücke nach Baton Rouge überquerte. Seit der Zeit der Reconstruction hatten alle wichtigen Figuren dieses Staates hier Station gemacht: eifrige Populisten mit Hosenträgern und Fliegen, die sie auf den Kragen aufgesteckt hatten, Demagogen, närrische Trunkenbolde, rabiate Rassisten, ein Hillbilly-Sänger, der zweimal zum Gouverneur gewählt wurde, ein anderer Gouverneur, der aus einer Irrenanstalt ausbrach, um seine Frau umzubringen. Dann war da erst in jüngster Zeit ein Gouverneur gewesen, der einen Zuchthäusler in Angola begnadigt hatte, der ihm diesen Gefallen dadurch lohnte, daß er den Bruder des Gouverneurs ermordete, und schließlich der Berühmteste und Rätselhafteste von ihnen allen, Huey Long, der Kingfish, der ein ernstzunehmender Konkurrent für Franklin Delano Roosevelt gewesen wäre, wäre er nicht zusammen mit seinem mutmaßlichen Mörder auf einem Flur des alten Capitols in einem Hagel von einundachtzig Pistolenkugeln ums Leben gekommen.
    Ich stellte meinen Wagen ab und verfolgte die morgendliche Sitzung des Parlaments von der Galerie aus. Ich beobachtete, mit wieviel Hochachtung viele der Abgeordneten Bobby Earl behandelten, den warmen Händedruck, das freundschaftliche Klopfen auf Arme und Schultern, die Männer, die aufs Höflichste ihr Wohlwollen bekundeten, obwohl sie es hätten besser wissen sollen. Es erinnerte mich an die Ehrerbietung, die manchmal dem schlimmsten Schläger eines