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Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North

Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North

Titel: Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Theroux
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dass immer nur eine der Wachen auf mich aufpasste. An diesem Tag war es Abelman, den ich weniger mochte. Er
lehnte an der Küchenwand, das Gewehr im Schoß, und ärgerte die Katze des Hauses mit einem Zweig.
    Da ertönte das Knallen der Küchentür, und blitzschnell sprang Abelman auf, setzte ein dümmliches Grinsen auf und verhielt sich auch sonst wie ein Hund, der ein Würstchen riecht.
    Ein kleines Mädchen stand vor uns, vielleicht zehn Jahre alt, in einem blau karierten Kleid und mit einem Glas Wasser in der Hand.
    Sie reichte mir das Glas. Sie war tapfer genug, um sich nicht zu erschrecken, als sie mein Gesicht sah, aber ihre Hand zitterte ein wenig, und irgendetwas im Glas klirrte.
    »Wir haben einen Kühlschrank«, sagte sie.
    Tatsächlich kam das Klirren von Eiswürfeln, die an der Seite des Glases schwappten. Ich nippte an dem Wasser. Es war fast zu kalt zum Trinken.
    »Bist du ein Junge oder ein Mädchen?«, fragte sie dann.
    Ich sah sie an. Sie war ein hübsches Ding. »Ich bin ein Mädchen«, sagte ich.
    »Was ist mit deinem Gesicht passiert?«
    »Ist es nicht unhöflich, immer Fragen zu stellen?«
    »Möchtest du noch etwas Eis?«
    »Ja, bitte.«
    Sie ging hinein und kam mit einer ganzen Eiswürfelform wieder, und ich half ihr, das Eis herauszubrechen.
Das Metall war mit Eiskristallen bedeckt und klebte an meinen feuchten Händen. Als wir die Würfel endlich befreit hatten, reichte sie sie mir und Abelman, als wären es Süßigkeiten. Abelman hielt sie in der Hand, bis sie zu tropfen begannen.
    Plötzlich rief eine Frau durch die Fliegengittertür, Natasha solle wieder hereinkommen. Das Mädchen nahm das Glas und die Eiswürfelform und lief zurück ins Haus.
    »Mach’s gut, Natasha«, rief Abelman mit zuckersüßer Stimme.
    Als die Tür ins Schloss gefallen war, fragte ich ihn: »Woher nehmen sie den Strom für einen Kühlschrank? «
    Doch Abelmann war schon wieder dabei, die Katze zu ärgern, und seine Stimme hatte alles Süßliche verloren, als er erwiderte: »Ist es nicht unhöflich, immer Fragen zu stellen?«
     
    Als ich das nächste Mal wiederkam, hatten sie eine Bank in den Garten gestellt und eine Schaukel aufgehängt, und diesmal kam Natasha mit einer Schüssel zu mir hinaus.
    »Das habe ich für dich aufgehoben«, sagte sie.
    Es waren Dosenpfirsiche, vier ganze Stücke. Ich griff nach einem, und er wackelte in meiner Hand wie etwas Lebendiges.

    Natasha sah mir beim Essen zu, als würde sie einen verwundeten Vogel betrachten, den sie in Pflege genommen hatte.
    Der Pfirsich war so golden wie der Sonnenuntergang und schmeckte süßer als Honig. »Danke«, sagte ich und wischte mir die Finger an der Hose ab.
    Natasha kicherte entzückt und rannte zurück ins Haus. Von da an brachte sie mir immer irgendetwas.
     
    Ein anderes Mal, als ich gerade in der Hitze schuftete, schlief Abelman ein und begann laut zu schnarchen. Sofort dachte ich daran, dass dies eine gute Gelegenheit zur Flucht wäre. Ich legte die Harke weg und ging hinter das Haus, um mich zu vergewissern, dass niemand auf der Straße war. Wie im Lager üblich bewegte ich mich ohne jede Hast, doch meine Gedanken flitzten schon davon (wie die Ketten aufbrechen, an ein Messer kommen, ausreichend Essen stehlen, um die lange Wanderung nach Norden zu überstehen?), als ich plötzlich helles Kinderlachen hörte.
    Ich ging zum Fenster und linste hinein: Natasha saß am Küchentisch, das Haar nass, ein Tuch um die Schultern gelegt, während ihre Mutter mit einer Schere in der Hand um sie herumtanzte und hier ein bisschen, dort ein bisschen abschnitt – kleine Büschel, die wie Puder zu Boden schwebten. Die Mutter
wandte mir den Rücken zu, und ich konnte nicht hören, was sie sagten, aber immer wieder schien es, als erzählte eine von ihnen einen Witz und die andere kringelte sich vor Lachen.
    Es war nichts Besonderes an dieser Küche, aber irgendetwas hielt mich am Fenster fest, und ehe ich mich versah, drückte mir Abelman den Lauf seines Gewehrs ins Kreuz und befahl mir, zurück an die Arbeit zu gehen.
     
    Immer wenn Natasha zu mir hinauskam, blieb ihre Mutter im Haus und steckte nur hin und wieder den Kopf aus dem Fenster, um ihre Tochter hineinzurufen. Aber einmal, gegen Ende des Sommers, als die meisten Blumen bereits verblüht waren, kam sie selbst nach draußen, um mich im Garten zu besuchen.
    Sie war eine große, schlanke, ansehnliche Frau und etwas jünger als ich.
    »Natasha und ich sind Ihnen sehr dankbar für die Arbeit, die Sie

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