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Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North

Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North

Titel: Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Theroux
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groß«, sagte er und schlug mit der Hand auf
eine Karte an der Wand. »Beinahe vierhundert Quadratkilometer. Hier nicht Zone. Zone beginnt auf andere Seite von Fluss. Aber nicht überall kontaminiert. Eure Aufgabe? Abbauen. Abbauen was? Das hier.«
    Er entrollte eine handgemalte Skizze und hängte sie über die Karte. Sie zeigte etwa ein Dutzend verschiedener Objekte, jedes davon in Farbe und mit groben Maßangaben versehen. Einige waren mir halbwegs vertraut – elektrische Batterien und so etwas wie ein Radio –, aber die anderen hatte ich nie zuvor gesehen.
    Die Wachen verteilten kariertes Papier und Bleistifte, und Apofagato sagte: »Abmalen!«
    Die Gefangenen taten wie geheißen. Die meisten waren keine großen Künstler, und als Apofagato herumging, um sich ihre Skizzen anzusehen, mokierte er sich darüber und sagte: »Schreib Seriennummer. Seriennummer wichtig.«
    Shamsudins Chirurgenfinger allerdings fertigten ziemlich gute Zeichnungen an, er schraffierte sogar einen Schatten, und Apofagato schnalzte billigend mit der Zunge, als er sie sah.
    Dann, als die Zeichnungen alle fertig waren, entrollte Apofagato einen Stadtplan. »Viele Sektoren in Zone. Das euer Sektor. Abbau an diesen Stellen. Gut? Jetzt abmalen Karte. Abmalen Stellen.«
    Also malten die Gefangenen erneut, und abermals
überprüfte Apofagato ihre Arbeit. Dann nahmen wir ihnen die Bleistifte ab, und Apofagato griff in seine Tasche und zog eine Handvoll Plastikscheiben heraus. »Jetzt sehr wichtig. Das Dosimeter. Sehr wichtig, kennen eure Dosis. Wenn zurück von Zone, abgeben Dosimeter. Wir errechnen Dosis, können geben Medizin, wenn Dosis hoch. Eure Gesundheit sehr wichtig für uns. Ihr wertvolle Personen.« Diese letzten Worte sagte er mit einem sonderbar hohen Lachen, während er die Plastikscheiben herumreichte und darauf achtete, dass sich jeder eine ans schmutzige Revers steckte. »Fragen?«
    »Was für Privilegien kriegen wir?«, fragte einer der Gefangenen.
    »Ihr kriegt Credits auf euer Guthaben angerechnet«, sagte Boathwaite, »die ihr für extra Essen und Alkohol ausgeben könnt.«
    Shamsudin hob die Hand. »Wie funktionieren diese Dosimeter?«
    »Wie Fotokamera«, sagte Apofagato.
    Shamsudin hob erneut die Hand. »Wenn Sie wissen, wonach wir suchen, und wissen, wo es ist, warum holen Sie es dann nicht selbst?«
    Apofagato zeigte ein breites Lächeln. »Nicht meine Aufgabe.«
    »Mr. Apofagato leistet wertvolle Arbeit hier«, sagte Boathwaite. »Jetzt nehmt eure Zeichnungen und eure
Dosimeter und geht in die Kantine. Ihr habt den Rest des Tages frei. Morgen, beim ersten Sonnenstrahl, brecht ihr in die Zone auf.«
    Shamsudin und Zulfugar schienen sehr besorgt zu sein, doch alle anderen ließen sich den Fleischeintopf schmecken und baten um einen Nachschlag und deuteten auf die blauen Dosimeter und riefen: »Ich bin wertvolle Person.«

3
    BEI SONNENAUFGANG versammelten wir uns am Tor. Wir hatten ein Dutzend Pferde dabei und mehrere Schlitten für den Rücktransport dessen, was immer wir finden würden. Sie gaben mir ein altes Gewehr, etwas Munition, eine halbwegs brauchbare Fellmütze und einen zweiten Satz Kleidung – Armeeausrüstung, bisher ungetragen und nach Kartoffeln riechend. Das Gewehr war auch nicht der Rede wert, aber zur Not konnte ich damit jemanden niederschlagen.
    Einer der Gefangenen hieß Felix, und er konnte wunderschön singen. Seine Stimme klang wie Glocken, während wir durch das dünne Licht des anbrechenden Tages ritten.
    Mein Pferd war das langsamste, und so landete ich bald am Schluss, bei Zulfugar und Shamsudin. Die beiden schienen ziemlich bedrückt zu sein, trotz des guten Essens und der hoffnungsvollen Stimmung der übrigen Gefangenen. An einer der Wasserstellen nahm ich sie beiseite und fragte sie, was sie beschäftige. Zulfugar sah mich mit großen Augen an.

    »Er hat seine Plakette geöffnet«, sagte Shamsudin mit gesenkter Stimme. »Da ist nichts drin. Nur Plastik. Das ganze Gerede von Privilegien und Ruhetagen ist nichts als eine Lüge, damit wir den Giftbecher leeren.«
    Ich fragte Zulfugar, ob das stimmte. Als Antwort riss er sich die Plakette ab, zertrat sie mit dem Absatz seines Schuhs und zeigte mir ihr Inneres. Sie war leer wie eine schlechte Nuss.
    Wir sahen uns an. Es war klar, dass man Zulfugar höchstwahrscheinlich erschießen würde, wenn er das unter den Gefangenen herumerzählte.
    »Ich besorge dir eine neue«, sagte ich und rief Tolya zu, dass einer der Gefangenen sein Dosimeter verloren

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