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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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interessiert waren«, sagte Carpenter geduldig.
    »Ja.« Mit einer heftigen Bewegung drückte er die Handballen auf seine geschlossenen Augen, als könnte er sich so die Details ins Gedächtnis zurückrufen. »Sie hat mir schlicht und einfach das Leben zur Hölle gemacht, bis ich es nicht mehr ausgehalten habe. Und da bin ich dann auf die Idee gekommen, ihrem Mann weiszumachen, ich wär schwul, weil ich hoffte, er würde es ihr erzählen.«
    Carpenter las in Hardings Protokoll nach. »Das war im Juni?«
    »Ja.«
    »Hatte es einen bestimmten Grund, daß Sie anderthalb Monate warteten, ehe Sie beschlossen, etwas Drastisches zu unternehmen?«
    »Es wurde immer schlimmer statt besser«, erklärte Harding mit einer plötzlichen Aufwallung von Zorn, als machte die Erinnerung ihn immer noch wütend. »Zuerst habe ich gedacht, sie würde irgendwann die Lust verlieren, wenn ich nur Geduld bewahrte. Aber als sie sich dann mein Schlauchboot vornahm, hat’s mir gereicht. Ich hatte Angst, sie würde sich als nächstes an der Crazy Daze vergreifen, und da war bei mir Schluß.«
    Carpenter nickte, als fände er die Erklärung plausibel. Wieder beugte er sich über das Protokoll von Hardings Aussage. »Sie suchten also William Sumner auf und zeigten ihm Fotos von sich, die in einer Schwulenzeitschrift erschienen waren, weil Sie hofften, er würde seiner Frau erzählen, Sie wären schwul?«
    »Ja.«
    »Hm.« Carpenter griff wieder nach Tony Bridges’ Protokoll. »Mr. Bridges sagt dazu allerdings etwas anderes: Als Sie ihm gegenüber erwähnten, Sie wollten Kate Sumner wegen Belästigung bei der Polizei anzeigen, habe er Ihnen geraten, sich doch einfach einen anderen Parkplatz für Ihr Auto zu suchen. Seiner Aussage zufolge sei damit das Problem gelöst gewesen. Er fand es im übrigen ziemlich erheiternd, als wir ihm gestern abend erzählten, Sie hätten versucht, den Belästigungen damit ein Ende zu setzen, daß Sie William Sumner diese Fotos von sich zeigten. Er sagte: ›Steve hatte immer schon eine lange Leitung.‹«
    Harding zuckte die Achseln. »Na und? Es hat doch gewirkt. Das ist das einzige, was mich interessiert hat.«
    Mit einer bedächtigen Handbewegung strich Carpenter die Papiere vor sich glatt. »Und wie kam das, was meinen Sie?« fragte er. »Sie wollen doch sicher nicht im Ernst unterstellen, daß eine Frau, die derart wütend über Ihre Zurückweisung war, daß sie Sie wochenlang auf übelste Weise belästigte, plötzlich sang- und klanglos kapitulierte, als sie hörte, Sie wären schwul? Ich gebe zu, daß ich mich mit Neurotikern nicht auskenne, aber ich würde annehmen, daß die Schikane eher schlimmer geworden wäre. Niemand läßt sich gerne lächerlich machen, Mr. Harding.«
    Harding starrte ihn perplex an. »Aber sie hat doch aufgehört.«
    Carpenter schüttelte den Kopf. »Man kann nicht mit etwas aufhören, das man nie begonnen hat, mein Junge. Oh, es besteht kein Zweifel daran, daß sie in einem Moment der Verärgerung Hannahs Windeln an Ihrem Bettlaken abgewischt hat, aber es war nicht Kate Sumner, die Ihnen etwas heimzahlen wollte, sondern Ihr Freund, Tony Bridges. Der Zwischenfall mit den Windeln hat ihn wahrscheinlich überhaupt erst auf die Idee gebracht, Sie auf diese Weise zu schikanieren. Und es war auch noch so eine passende Rache! Sie hatten jahrelang auf ihn und seine Gefühle ›geschissen‹. Da muß es ihm einen Heidenspaß gemacht haben, es Ihnen mit gleicher Münze heimzuzahlen. Aufgehört hat er damit nur, weil Sie damit gedroht hatten, zur Polizei zu gehen.«
    Ein mattes Lächeln, so verwaschen wie nasse Wasserfarben, breitete sich auf Hardings Gesicht aus. Er sieht krank aus, dachte Carpenter mit Genugtuung.
     
    Angela Sumner hatte längst alle Bemühungen aufgegeben, ihren Sohn zum Sprechen zu bringen. Ihre anfängliche Überraschung über sein unangemeldetes Erscheinen in ihrer Wohnung war einem Gefühl der Beängstigung gewichen, und ähnlich wie das Opfer einer Geiselnahme versuchte sie stets zu beschwichtigen statt herauszufordern. Was immer ihn nach Chichester zurückgeführt hatte, er wollte nicht mit ihr darüber sprechen. Er schien ständig von einem Extrem ins andere zu fallen, konnte von einem Tobsuchtsanfall getrieben im Zimmer hin und her laufen, nur um im nächsten Moment in Tränen aufgelöst zusammenzubrechen und in Apathie zu versinken. Sie konnte ihm nicht helfen. Er bewachte das Telefon mit der Beharrlichkeit eines Wahnsinnigen, und gelähmt vor Angst und

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