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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Handtasche nicht draußen auf dem Tisch liegenlassen«, sagte er, als er zum Bett ging und ihr das gute Stück überreichte. »Da kann jeder Dieb sie mitnehmen.«
    »Der würde seine Freude daran haben. Es ist nichts drin, was sich zu stehlen lohnen würde.« Sie musterte ihn aufmerksam. »In Uniform gefallen Sie mir besser. In diesem Aufzug sehen Sie aus wie ein Gärtner.«
    »Ich habe Maggie versprochen, ihr beim Anstreichen zu helfen, und in Uniform kann ich das nicht gut.« Er zog sich einen Stuhl heran. »Wo ist sie überhaupt?«
    »Wo Sie sie hinbeordert haben. In der Küche.« Sie seufzte. »Ich mache mir Sorgen um sie, Nick. Ich habe sie nicht zu körperlicher Arbeit erzogen. Sie wird Hände haben wie eine Waschfrau, wenn sie in der Küche fertig ist.«
    »Die hat sie doch sowieso schon. Man kann nicht Tag für Tag Ställe ausmisten und Pferdetröge reinigen und sich dabei gepflegte Hände bewahren. Das eine schließt das andere aus.«
    Sie schnalzte mißbilligend mit der Zunge. »Ein Gentleman bemerkt so etwas nicht.«
    Er hatte sie schon immer gemocht. Er wußte selbst nicht recht, warum, außer daß ihm ihre Direktheit gefiel. Vielleicht erinnerte sie ihn an seine eigene Mutter, eine handfeste, realistische Frau aus Ostlondon, die seit zehn Jahren tot war. Zweifellos kam er mit Menschen, die offen ihre Meinung sagten, besser zurecht als mit solchen, die ihre Gefühle hinter Heuchlermienen verbargen. »Ach, ich glaube doch, wissen Sie? Er spricht nur nicht darüber.«
    »Aber das ist doch der springende Punkt, Sie dummer Kerl«, sagte sie unwirsch. »Einen Gentleman erkennt man an seinen Manieren.«
    Er lachte. »Dann ist Ihnen also ein Mann, der lügt, lieber, als einer, der ehrlich ist? Diesen Eindruck haben Sie mir vor vier Jahren, als Robert Healey sich aus dem Staub machte, aber nicht vermittelt.«
    »Robert Healey war ein Krimineller.«
    »Aber attraktiv.«
    Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Sind Sie hergekommen, um mich zu ärgern?«
    »Nein, ich bin hergekommen, um zu sehen, wie es Ihnen geht.«
    Sie wedelte wegwerfend mit der Hand. »Es geht mir gut, wie Sie sehen. Kümmern Sie sich jetzt lieber um Maggie. Sie wird sich sicher freuen, Sie zu sehen.«
    Er machte jedoch keine Anstalten zu gehen. »Sind Sie oder Ihre Tochter eigentlich bei Healeys Prozeß als Zeugen gehört worden?« fragte er.
    »Nein, das wissen Sie doch. Er wurde ja nur wegen seines letzten Betrugs vor Gericht gestellt. Wir übrigen durften auf der Zuschauergalerie Platz nehmen, weil wir sonst womöglich Sand ins Getriebe des Prozesses hätten streuen können. Das hat mich mehr als alles andere geärgert. Ich wollte unbedingt in den Zeugenstand, um diesem Kerl zu sagen, was ich von ihm hielt. Ich wußte natürlich, daß ich mein Geld nie zurückbekommen würde, aber es wäre mir wenigstens eine gewisse Genugtuung gewesen.« Sie verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. »Allerdings ist das kein Thema, über das ich mich unterhalten möchte. Es ist ungesund, in der Vergangenheit zu wühlen.«
    »Haben Sie die Berichte über den Prozeß gelesen?« fuhr er fort, ohne sich von ihrer Zurückweisung beeindrucken zu lassen.
    »Einen oder zwei«, antwortete sie kurz. »Bis ich es voller Wut aufgegeben habe.«
    »Was hat Sie denn so wütend gemacht?«
    Über ihrer Lippe zuckte nervös ein Muskel. »Seine Opfer wurden als einsame Frauen geschildert, die sich verzweifelt nach ein bißchen Liebe und Aufmerksamkeit sehnten. Ich glaube, nichts im Leben hat mich je so aufgeregt. Wir standen ja wie lauter törichte Närrinnen da.«
    »Aber Ihr Fall kam doch gar nicht zur Verhandlung«, sagte er. »Diese Beschreibung bezog sich auf seine vorigen Opfer - zwei alte unverheiratete Schwestern, die ganz allein in einem einsamen Bauernhaus in Cheshire lebten. Mit anderen Worten, ein gefundenes Fressen für Healey. Und der Schwindel flog ja auch nur auf, weil er es so eilig hatte, an das Geld zu kommen, daß er ihre Namen auf mehreren Schecks fälschte, worauf man bei der Bank der beiden Frauen mißtrauisch wurde und die Polizei alarmierte.«
    Das nervöse Zucken ihrer Oberlippe hörte nicht auf. »Ja, nur denke ich manchmal, daß diese Beschreibung auch in unserem Fall gar nicht so falsch war«, entgegnete sie mit sichtlicher Überwindung. »Ich habe uns nie als einsam betrachtet, aber es ist nicht zu leugnen, daß wir förmlich aufblühten, als er in unser Leben trat, und dessen schäme ich mich heute noch, wenn ich daran zurückdenke.«
    Ingram

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