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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Hilflosigkeit, zog sie sich in stumme Beobachtung zurück.
    Er war in den vergangenen zwölf Monaten ein Fremder für sie geworden, und eine Art unterschwelliger Abneigung trieb sie zur Grausamkeit. Sie wurde sich bewußt, daß sie ihren Sohn verachtete. Im Grunde hat er nie viel Rückgrat besessen, dachte sie, sonst hätte Kate nicht so leichtes Spiel mit ihm gehabt. Ihre Lippen wurden zu einem schmalen Strich der Geringschätzung, während sie dem trockenen Schluchzen lauschte, das seinen mageren Körper schüttelte, und als er endlich sein Schweigen brach, erkannte sie mit einem Gefühl der Unausweichlichkeit, daß sie seine Worte hätte vorhersagen können. »…ich wußte einfach nicht mehr, was ich tun sollte...«
    Sie vermutete, daß er seine Frau ermordet hatte. Und jetzt befürchtete sie, er könnte auch sein Kind getötet haben.
     
    Tony Bridges stand auf, als die Zellentür geöffnet wurde, und sah Galbraith mit einem unsicheren Lächeln entgegen. In den Stunden der Haft war er zu einem kleinen, unbedeutenden Menschen geschrumpft, der entdeckt hatte, was es hieß, der Gnade anderer ausgeliefert zu sein. Verschwunden war die Arroganz von gestern, verdrängt von der beunruhigenden Erkenntnis, daß all seine Beredsamkeit nichts gegen das Mißtrauen der Polizei auszurichten vermochte.
    »Wie lange wollen Sie mich eigentlich noch hierbehalten?«
    »So lange wie nötig, Mr. Bridges.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, was Sie von mir wollen.«
    »Die Wahrheit.«
    »Das einzige, was ich getan habe, war, ein Boot zu stehlen.«
    Galbraith schüttelte den Kopf. Er meinte, flüchtiges Bedauern in dem verschreckten Blick des jungen Mannes zu sehen, bevor er zurücktrat, um Bridges vorbeizulassen. Man konnte es vielleicht Reue nennen, vermutete er.
     
    ›... ich wollte es nicht tun. Ich habe es auch nicht getan - nicht wirklich. Kate wäre noch am Leben, wenn sie nicht versucht hätte, mich aus dem Boot zu stoßen. Es ist ihre eigene Schuld, daß sie tot ist. Alles war gut, bis sie auf einmal auf mich losging, und dann war sie plötzlich im Wasser. Das können Sie mir doch nicht zum Vorwurf machen. Glauben Sie denn, ich hätte nicht auch Hannah ertränkt, wenn ich die Absicht gehabt hätte, ihre Mutter zu töten...?‹

25
     
     
    Broxton House döste friedlich in der Nachmittagssonne, als Nick Ingram seinen Wagen vor dem Eingang mit dem Säulenportal anhielt. Wie immer nahm er sich einen Moment Zeit, um seine klaren, einfachen Linien zu bewundern, und wie immer bedauerte er seinen unaufhaltsamen Verfall. Für ihn, vielleicht mehr noch als für die Jenners, stellte es etwas Kostbares dar, eine lebendige Erinnerung daran, daß Schönheit in jedem Ding existierte; aber andererseits war er ja auch trotz seiner täglichen Arbeit unverbesserlich sentimental, und sie waren es nicht. Die Flügeltür stand weit offen, eine Einladung an jeden vorüberkommenden Dieb, und er nahm Celia Jenners Handtasche vom Tisch im Foyer, als er auf seinem Weg in den Salon daran vorbeikam. Stille lag über dem Haus wie eine Decke aus Staub, und er fürchtete plötzlich, zu spät gekommen zu sein. Selbst der Klang seiner eigenen Schritte auf dem Marmorfußboden war nichts als ein Flüstern in der großen Leere, die ihn umgab.
    Er öffnete die Tür zum Salon und trat ein. Celia lag halb aufgerichtet im Bett. Die Bifokalbrille war ihr bis zur Nasenspitze hinuntergerutscht, ihr Mund war geöffnet, und sie schnarchte leise. An ihrer Seite lag Bertie, den Kopf auf dem Kissen. Es war ein Bild wie aus dem Film Der Pate , und Ingram hätte beinahe laut gelacht. Der Gefühlsmensch in ihm betrachtete die beiden mit Rührung. Vielleicht hat Maggie doch recht, dachte er. Vielleicht ist Körperkontakt zum Glücklichsein doch wichtiger als Hygiene. Was kümmerten einen schon braun verfärbte Teetassen, wenn man eine vierbeinige Wärmflasche hatte, die bereit war, zu einem ins Bett zu kriechen und einem die Liebe zu geben, die man sonst nirgends bekam!
    Er klopfte leicht an die Tür und beobachtete amüsiert, wie Bertie vorsichtig ein Auge aufmachte, um es gleich wieder zu schließen, offensichtlich erleichtert, daß Nick nicht die Absicht hatte, seine Loyalität auf die Probe zu stellen.
    »Ich schlafe nicht«, sagte Celia und rückte mit einer Hand ihre Brille zurecht. »Ich habe Sie hereinkommen gehört.«
    »Störe ich?«
    »Nein.« Sie richtete sich höher auf und zog etwas verspätet ihr Bettjäckchen über ihrer Brust zusammen.
    »Sie sollten Ihre

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