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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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gesagt. »Ich hab seit Freitag früh keinen Piep mehr von ihm gehört. Für mich ist der Kerl erledigt. Ich würde ja nichts sagen, wenn er mir Geld einbringen würde, aber er hat seit Monaten nicht mehr gearbeitet. Trotzdem führt er sich auf, als wäre er Tom Cruise. Ha! Wohl eher Pinocchio - so hölzern wie der ist...«
    Galbraith und Carpenter trafen sich um neun. Der Superintendent war ein großer, langgliedriger Mann mit dichtem dunklem Haar und einem grimmigen Dauerstirnrunzeln, das ihn ewig zornig wirken ließ. Seinen Kollegen fiel es gar nicht mehr auf, aber Verdächtige schüchterte es häufig ein. Galbraith hatte ihm bereits telefonisch einen kurzen Bericht seines Gesprächs mit Sumner gegeben, kam jedoch noch einmal darauf zu sprechen, insbesondere auf die Bemerkung, Harding sei »stockschwul«.
    »Das deckt sich aber nicht mit dem, was sein Agent uns über ihn erzählt hat«, stellte Carpenter fest. »Er beschreibt ihn als sexbesessenen Schürzenjäger, dem die Frauen scharenweise hinterherlaufen. Er raucht Cannabis, ist ein eingeschworener Heavy-Metal-Fan, sammelt Pornofilme und hockt, wenn er nichts Besseres zu tun hat, stundenlang in Stripschuppen rum und schaut zu, wie die Mädchen sich entblättern. Wenn er allein ist, sei’s auf seinem Boot oder in seiner Wohnung, läuft er am liebsten splitterfasernackt herum. Wahrscheinlich wird er uns mit wedelndem Schwanz entgegenkommen, wenn wir an Bord gehen.«
    »Na, das ist doch wenigstens was, worauf man sich freuen kann«, meinte Galbraith trocken.
    Carpenter grinste. »Er scheint sich einzubilden, er wäre ein ganz toller Typ und müßte mindestens zwei Frauen zugleich im Bett haben, um im Geschäft zu bleiben. Im Augenblick hat er in London eine fünfundzwanzigjährige Marie und hier unten eine Bibi oder Didi. Barlow hat uns den Namen eines Freundes von Harding genannt, der hier in Lymington lebt, ein gewisser Tony Bridges. Er spielt den Anrufbeantworter für Harding, wenn der mit seinem Boot auf großer Fahrt ist. Ich hab Campbell rübergeschickt, er soll sich mal mit ihm unterhalten. Wenn er was Interessantes erfährt, ruft er uns an.« Er zupfte sich am Ohrläppchen.
    »Auf der Aktivseite wäre zu verbuchen, daß er hier bei den Seglern gut angesehen ist. Er ist in Lymington aufgewachsen, die Familie wohnt in der High Street über einer Imbißstube, und er hat sich seit seinem zehnten Lebensjahr ständig auf Booten herumgetrieben. Vor etwas mehr als drei Jahren hat er endlich einen der begehrten Liegeplätze im Fluß bekommen und daraufhin sein ganzes Geld bis auf den letzten Penny in den Kauf der Crazy Daze gesteckt. Er verbringt alle seine freien Wochenenden hier, und was er an Arbeit investiert hat, um das Boot auf Vordermann zu bringen, ist, um eine Stimme aus dem Jachtklub zu zitieren, ungeheuer. Die Leute hier scheinen sich einig zu sein, daß er ein bißchen ein Draufgänger ist, aber das Herz auf dem rechten Fleck hat.«
    »Tja, das reinste Chamäleon«, meinte Galbraith zynisch. »Ich meine, wir haben hier drei völlig unterschiedliche Versionen desselben Menschen. Schwuchtel, Weiberheld und harmloser, netter Kumpel. Greifen Sie zu, Sie haben die Wahl, hm?«
    »Er ist Schauspieler, vergessen Sie das nicht, deshalb vermute ich, daß keine dieser Beschreibungen wirklich zutreffend ist. Wahrscheinlich schauspielert er, wo er geht und steht.«
    »Ich würde eher sagen, er lügt, wo er geht und steht. Ingram zufolge hat er behauptet, er wäre auf einem Bauernhof in Cornwall aufgewachsen.« Galbraith klappte seinen Kragen hoch, als plötzlich eine kühle Windbö vom Fluß herüberwehte. Er hatte sich am Morgen, als die Lufttemperatur bereits 30 Grad erreicht hatte, extra leicht angezogen. »Glauben Sie, er war’s?«
    Carpenter schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht. Er ist ein bißchen zu auffällig. Ich denke, unser Mann ist eher ein Fall aus dem Lehrbuch. Einzelgänger... beruflicher Versager... eine Reihe gescheiterter Beziehungen... lebt wahrscheinlich bei seiner Mutter... und ist voller Wut darüber, daß sie sich ständig in sein Leben einmischt.« Er reckte schnuppernd die Nase in die Luft. »Im Augenblick erscheint es mir wahrscheinlicher, daß der Ehemann unser Kandidat ist.«
     
    Tony Bridges lebte in einem kleinen Reihenhaus hinter der High Street und nickte zustimmend, als sich der grauhaarige Sergeant der Kriminalpolizei erkundigte, ob er bereit sei, sich kurz mit ihm über Steven Harding zu unterhalten. Bridges trug weder

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