Wellenbrecher
Problem?«
»To-ony!« rief eine offensichtlich betrunkene Frau aus dem Obergeschoß. »Ich wa-arte!«
»Und ob das ein Problem ist«, versetzte Bridges wütend. »Das ist Bibi, und sie ist meine Freundin, nicht Steves. Ich bring den Mistkerl um, wenn er mich aufs Kreuz gelegt hat.«
Von oben ertönte ein Poltern, als wäre jemand zu Boden gefallen. »Ich schla-afe gleich wie-ieder ein, Tony!«
Carpenter und Galbraith fuhren im Boot des Hafenmeisters, einem frisierten Beiboot mit Fiberglaskiel und einer Lenksäule, zur Crazy Daze hinaus. Die Nachtluft war nach der Hitze des Tages unangenehm kalt geworden, und beide Männer wünschten, sie hätten daran gedacht, Pullover oder Vlieswesten unterzuziehen. Die steife Brise, die den Solent hinunterwehte, ließ das Takelwerk laut klappernd gegen den Wald von Bootsmasten in den Jachthäfen schlagen. Vor ihnen hob sich die Isle of Wight wie die Silhouette eines zusammengekauerten Tieres gegen den dunkler werdenden Himmel ab, und die Positionslichter der einlaufenden Fähre spiegelten sich als glitzernde Funken auf den Wellen wider.
Der Hafenmeister war amüsiert über den Argwohn der Polizisten gewesen, nachdem sie mehrfach vergeblich versucht hatten, Harding über Funk oder Telefon zu erreichen. »Also, da können Sie ihm nun wirklich keinen Strick draus drehen. Warum soll er den ganzen Saft aus seinen Batterien verschwenden, nur weil Sie zufällig anrufen könnten? Die Boote auf dem Fluß werden nicht vom Land aus mit Strom versorgt. In seiner Kabine hat er eine Butangaslampe - das wäre romantisch, sagt er, deshalb ist ihm auch eine Boje auf dem Fluß lieber als ein Liegeplatz im Jachthafen. Und weil die Frauen, wenn sie erst mal auf seinem Kahn sind, auf ihn und sein Beiboot angewiesen sind, wenn sie wieder runter wollen.«
»Nimmt er denn oft Frauen mit an Bord?« erkundigte sich Galbraith.
»Keine Ahnung. Ich hab was andres zu tun, als über Steves Eroberungen Buch zu führen. Er hat eine Schwäche für Blondinen, das weiß ich. Erst neulich hab ich ihn mit einer scharfen kleinen Nummer gesehen.«
»Klein, lockiges blondes Haar, blaue Augen?«
»Wenn ich mich recht erinnere, hatte sie glatte Haare, aber verlassen Sie sich mal lieber nicht auf mich. Für Gesichter hab ich kein gutes Gedächtnis.«
»Wissen Sie zufällig, wann Hardings Boot am Samstag morgen ausgelaufen ist?« fragte Carpenter.
Der Hafenmeister schüttelte den Kopf. »Ich kann’s von hier aus nicht mal sehen. Fragen Sie im Jachtklub nach.«
»Das haben wir schon getan. Ohne Erfolg.«
»Warten Sie, bis am Samstag die Wochenendausflügler kommen. Da haben Sie am ehesten eine Chance.«
Das Boot verlangsamte die Fahrt, als es sich Hardings Schlup näherte. Gelbes Licht schimmerte in den Bullaugen mittschiffs, und achtern schaukelte ein Schlauchboot im Kielwasser der Fähre. Von drinnen war gedämpft Musik zu hören.
»Hey, Steve«, rief der Helfer des Hafenmeisters und klopfte kräftig auf die Beplankung auf der Backbordseite. »Ich bin’s, Gary. Du hast Besuch, Kumpel.«
Schwach vernahmen sie Hardings Stimme. »Hau ab, Gary. Ich bin krank.«
»Geht nicht. Es ist die Polizei. Die wollen mit dir reden. Los, komm schon, mach auf und hilf uns rauf.«
Die Musik brach abrupt ab, dann zog Harding sich durch den offenen Niedergang in die Plicht hinauf. »Was gibt’s?« sagte er mit betont unbefangenem Lächeln zu den beiden Kriminalbeamten. »Ich schätze, Ihr Besuch hat was mit der Frau von gestern zu tun? War die Geschichte der Jungs über das Fernglas gelogen?«
»Wir haben noch einige Zusatzfragen«, erwiderte Superintendent Carpenter mit einem ebenso harmlosen Lächeln. »Können wir an Bord kommen?«
»Aber natürlich.« Er sprang aufs Deck und beugte sich hinunter, um erst Carpenter und dann Galbraith heraufzuhelfen.
»Meine Schicht ist um zehn zu Ende«, rief der Junge den Polizeibeamten zu. »Ich komm in vierzig Minuten, um Sie abzuholen. Wenn Sie früher wegwollen, rufen Sie mich über Handy an. Steve weiß die Nummer. Sonst kann er Sie ja zurückbringen.«
Sie sahen ihm noch einen Moment nach, als er in weitem Bogen wendete und dann flußaufwärts in Richtung Stadt davonknatterte.
»Kommen Sie mit unter Deck«, sagte Harding. »Es ist kalt hier draußen.« Er war - zu Galbraith’ großer Erleichterung - bekleidet, und zwar mit einem ärmellosen T-Shirt und Shorts, und er fröstelte in dem kalten Wind, der über die Salzsümpfe an der Flußmündung fegte. Selber barfuß, sah
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