Wellenbrecher
nach sechs wieder im Jachthafen. Ich habe ungefähr fünf Liter Wasser getrunken, habe was gegessen und bin vielleicht eine halbe Stunde später nach Lymington abgedampft.«
»Der Marsch bis nach Chapman’s Pool hat also drei Stunden gedauert?« fragte Galbraith.
»So ungefähr.«
»Das heißt, Sie müssen um kurz nach halb acht vom Jachthafen aufgebrochen sein, wenn Sie um zehn Uhr dreiundvierzig den Notruf durchgegeben haben.«
»Wenn Sie es sagen.«
»Ich sage gar nichts, Mr. Harding. Unseren Informationen zufolge haben Sie um acht Uhr früh Ihren Liegeplatz bezahlt, Sie können also den Jachthafen frühestens ein paar Minuten später verlassen haben.«
Harding verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte den Inspector über den Tisch hinweg an. »Okay, ich bin um acht losgegangen«, sagte er. »Na und? Was ist daran so bemerkenswert?«
»Bemerkenswert ist daran, daß Sie unmöglich in zweieinhalb Stunden mehr als fünfundzwanzig Kilometer auf einem schwierigen Küstenwanderweg zurückgelegt haben können« - er machte eine Pause und fixierte Harding - »und davon wäre noch die Wartezeit auf die Fähre abzuziehen.«
Hardings Entgegnung kam wie aus der Pistole geschossen. »Ich bin nicht den Küstenwanderweg gegangen, jedenfalls nicht am Anfang«, erklärte er. »Ich habe mich das erste Stück von Leuten im Auto mitnehmen lassen. Sie wollten zu dem Naturschutzpark bei Durlston Head. Sie haben mich vor dem Tor zum Leuchtturm abgesetzt, und von dort aus bin ich den Küstenwanderweg gegangen.«
»Um welche Zeit war das?«
Harding richtete seinen Blick zur Decke. »Zehn Uhr dreiundvierzig minus die Zeit, die man braucht, um vom Durlston Head bis Chapman’s Pool zu marschieren, nehme ich an. Hören Sie, soweit ich mich erinnere, habe ich gestern zum ersten Mal auf die Uhr geschaut, als ich den Notruf gemacht habe. Bis dahin war mir die Zeit schnurzegal.« Er sah wieder Galbraith an. In seinen dunklen Augen flackerte Wut. »Ich hasse es, mich von der verdammten Uhr beherrschen zu lassen. Es ist gesellschaftlicher Terrorismus, die Leute zu zwingen, sich nach völlig willkürlichen Schätzungen, wieviel Zeit dies oder jenes in Anspruch nehmen sollte, zu richten. Darum liebe ich das Segeln. Die Zeit ist ohne Belang, und man kann sich ihr nur ausliefern.«
»Was für einen Wagen hatten die Leute, die Sie mitgenommen haben?« fragte Carpenter, den die philosophischen Betrachtungen des jungen Mannes kaltließen.
»Keine Ahnung. Irgendeine Limousine. Ich achte nicht auf Autos.«
»Welche Farbe?«
»Blau, glaub ich.«
»Was waren das für Leute?«
»Ein Paar. Wir haben uns kaum miteinander unterhalten. Sie hatten eine Kassette von den Manic Street Preachers drin. Die haben wir uns angehört.«
»Können Sie die beiden beschreiben, Mr. Harding?«
»Schlecht. Sie haben ganz normal ausgesehen. Die meiste Zeit hab ich nur ihre Hinterköpfe gesehen. Sie hatte blonde Haare, er dunkle.« Er griff nach der Whiskyflasche und rollte sie zwischen den Händen hin und her, offensichtlich kurz davor, die Geduld zu verlieren. »Warum zum Teufel fragen Sie mich das alles? Was für eine Rolle spielt es, wie lange ich von A nach B gebraucht oder wen ich unterwegs getroffen habe? Wird jeder, der einen Notfall meldet, so gegrillt?«
»Wir versuchen nur, einige offene Fragen zu klären, Sir.«
»Ja, das haben Sie bereits gesagt.«
»Wäre es nicht wahrheitsgemäßer, zu sagen, daß Chapman’s Pool Ihr Ziel war und nicht die Bucht von Lulworth?«
»Nein.«
Schweigen breitete sich aus. Carpenter starrte Harding unverwandt an, der immer noch mit der Whiskyflasche spielte. »Hatten Sie am Samstag Passagiere an Bord?« fragte er dann.
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Natürlich bin ich sicher, verdammt noch mal. Glauben Sie vielleicht, das wäre mir nicht aufgefallen? Wir sind hier schließlich nicht auf der ›Queen Elizabeth‹.«
Carpenter blätterte im Logbuch. »Nehmen Sie überhaupt manchmal Passagiere mit?«
»Das geht Sie nichts an.«
»Vielleicht nicht, aber wir haben von verschiedenen Seiten gehört, daß Sie ein ziemlicher Draufgänger sein sollen.« Er zog amüsiert eine Augenbraue hoch. »Es heißt, daß Sie regelmäßig Damenbesuch an Bord haben. Es würde mich interessieren, ob Sie die Damen auch auf einen Törn mitnehmen. Oder findet die ganze Action da drinnen statt« - er wies mit einer Kopfbewegung auf die Koje -, »während Sie hier an Ihrer Boje liegen?«
Harding ließ sich Zeit mit seiner
Weitere Kostenlose Bücher