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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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wissend, daß er selbst Gegenstand der Unterhaltung war, und bemühte sich krampfhaft, etwas von dem aufzuschnappen, was am anderen Ende der Leitung gesagt wurde. Die meiste Zeit hielt er den Blick auf den Tisch gesenkt, aber ein- oder zweimal blickte er auf, um Galbraith anzusehen, und in den Augenblicken fühlte Campbell sich ihm seltsam nahe, als stünden er und Harding aufgrund ihres Ausgeschlossenseins von dem Gespräch gegen Carpenter. Er hatte keine Ahnung, ob Harding schuldig war, keine Spur von einer Intuition, ob er es hier mit einem Vergewaltiger zu tun hatte; aber er wußte aus langjähriger Erfahrung, daß das nichts zu bedeuten hatte. Psychopathen konnten äußerst gewinnend sein und vollkommen harmlos wirken; es war immer das Opfer, das die Kehrseite der Medaille kennenlernte.
    Wieder ließ Galbraith seinen Blick durch den Raum wandern und versuchte, in den Schatten jenseits des Gaslichts Formen zu erkennen. Seine Augen hatten sich inzwischen an die schummrige Beleuchtung gewöhnt, und er konnte jetzt weit mehr Einzelheiten ausmachen als noch vor zehn Minuten. Mit Ausnahme des Durcheinanders auf dem Kartentisch war alles ordentlich in Spinden und Regalen untergebracht, und es war nichts zu sehen, was die kürzliche Anwesenheit einer Frau verraten hätte. Es war ein maskulines Ambiente - Holzverkleidung, schwarze Ledersitze, Messingbeschläge. Keine Farben, um die Strenge und Einfachheit aufzulockern. Beinahe mönchisch, dachte er beifällig. Sein eigenes Haus - ein lärmiges, mit überall verstreuten Spielsachen angefülltes Zuhause, geschaffen von einer Frau, die mit Elan im National Childbirth Trust aktiv war -, war für einen ewig müden, gestreßten Polizisten viel zu vollgestopft und - Gott möge ihm verzeihen - viel zu kindbezogen.
    Die Pantry auf der Steuerbordseite des Niedergangs interessierte ihn besonders. Sie war in einen Alkoven eingebaut und bestand aus einem kleinen Spülbecken und einer Gaskochplatte sowie Unterschränken und mehreren Borden. Ihm waren schon zuvor einige Dinge aufgefallen, die ganz hinten in eine dunkle Ecke geschoben waren, und mit der Zeit hatte er erkennen können, daß es sich um ein angebrochenes Stück Käse in Plastikverpackung mit einem Aufkleber von Tesco’s Supermarkt und eine Tüte Äpfel handelte. Er merkte, daß Harding seinem Blick folgte, und fragte sich, ob der Mann wußte, daß ein Pathologe genau feststellen konnte, was ein Mordopfer vor seinem Tod gegessen hatte.
    Carpenter beendete sein Telefongespräch und legte das Handy auf das Logbuch. »Sie sagten vorhin, Sie hätten schon so ein Gefühl gehabt, daß es sich bei der Toten um Kate Sumner handeln könnte«, erinnerte er Harding.
    »Stimmt.«
    »Könnten Sie das näher erklären? Könnten Sie uns sagen, wann und wieso sich dieses Gefühl eingestellt hat?«
    »Ich wollte damit nicht sagen, daß ich geahnt hätte, daß es ausgerechnet sie war, nur daß ich mir dachte, es müßte jemand sein, den ich gekannt habe, weil Sie sonst sicher nicht extra zu mir an Bord gekommen wären.« Er zuckte die Achseln. »Sagen wir es mal so, wenn Sie jedem, der einen Unfall meldet, hinterher auf diese Weise auf den Zahn fühlen, dann ist es kein Wunder, daß es in diesem Land von Verbrechern wimmelt, die unbestraft rumlaufen.«
    Carpenter lachte leicht, aber der finstere Blick unter der gerunzelten Stirn blieb unverwandt auf den jungen Mann gegenüber gerichtet. »Glauben Sie nie, was in den Zeitungen steht, Mr. Harding. Verlassen Sie sich darauf, die Verbrecher, auf die es ankommt, fassen wir immer.« Er musterte Harding ein paar Sekunden lang aufmerksam. »Erzählen Sie mir etwas von Kate Sumner«, sagte er dann. »Wie gut haben Sie sie gekannt?«
    »Nur ganz flüchtig«, antwortete Harding unbekümmert. »Ich bin ihr vielleicht fünf- oder sechsmal begegnet, seit sie und ihr Mann nach Lymington gezogen sind. Kennengelernt habe ich sie, als sie mit dem Kinderwagen, in dem ihre Kleine saß, unten beim alten Zollhaus über die Straße wollte und mit dem Kopfsteinpflaster Mühe hatte. Ich habe ihr geholfen, und wir haben ein paar Worte gewechselt, ehe sie weiter die High Street raufgegangen ist. Danach hat sie mich immer, wenn sie mich irgendwo gesehen hat, begrüßt und gefragt, wie es mir geht.«
    »Mochten Sie sie?«
    Hardings Blick schweifte zum Telefon, während er seine Antwort bedachte. »Sie war ganz nett. Nichts Besonderes.«
    »Und William Sumner?« fragte Galbraith. »Mögen Sie ihn?«
    »Ich kenne ihn

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