Wellenbrecher
Jeder hier kennt Leute, die segeln.«
Galbraith wies mit einer knappen Kopfbewegung Richtung Pantry. »Waren Sie am Samstag morgen vor Ihrer Abfahrt nach Poole noch einkaufen?« fragte er.
»Was hat das denn nun wieder mit der Sache zu tun?« Der gereizte Ton war wieder da.
»Es ist nur eine simple Frage. Haben Sie am Samstag morgen die Äpfel und den Käse gekauft, die in Ihrer Pantry liegen?«
»Ja.«
»Haben Sie Kate Sumner getroffen, als Sie in der Stadt waren?«
Harding zögerte einen Moment, ehe er antwortete. »Ja«, bekannte er dann. »Sie stand mit ihrer kleinen Tochter draußen vor dem Supermarkt.«
»Um welche Zeit war das?«
»Halb zehn vielleicht.« Er griff wieder nach der Whiskyflasche, legte sie auf den Tisch und drehte sie langsam. »Ich hab mich nicht länger aufgehalten, weil ich los wollte, und sie suchte nach Sandalen für ihre Tochter. Wir haben einander begrüßt, dann ist jeder seiner Wege gegangen. Das war alles.«
»Haben Sie sie eingeladen, mit Ihnen segeln zu gehen?« fragte Carpenter.
»Nein.« Er verlor das Interesse an der Flasche und ließ sie liegen. »Hören Sie zu, ich hab keine Ahnung, was ich Ihrer Ansicht nach getan haben soll«, sagte er mit wachsendem Zorn, »aber ich bin mir verdammt sicher, daß Sie nicht berechtigt sind, mir solche Fragen zu stellen. Müßte dieses Gespräch nicht aufgezeichnet werden?«
»Bei einer einfachen Vernehmung von Zeugen, die uns möglicherweise bei unseren Ermittlungen weiterhelfen können, ist das nicht notwendig, Sir«, antwortete Carpenter milde. »Im allgemeinen werden nur Vernehmungen von Personen aufgezeichnet, die einer schweren Straftat verdächtigt werden und vorher auf ihre Rechte hingewiesen wurden. Solche Vernehmungen dürfen nur in einer Polizeidienststelle durchgeführt werden, wo die vorschriftsmäßigen Geräte vorhanden sind und der Vernehmungsbeamte vor den Augen des Verdächtigen eine neue, leere Kassette in das Aufnahmegerät einlegt.« Er lächelte ohne jede Feindseligkeit. »Aber wenn es Ihnen lieber ist, können Sie uns ja nach Winfrith begleiten, und wir vernehmen Sie dort als freiwilligen Zeugen unter Benutzung eines Recorders.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage. Sie kriegen mich hier nicht weg.« Er breitete seine Arme auf der Rückenlehne der Sitzbank aus und umfaßte die Teakholzkante, wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Bei der Bewegung streifte seine rechte Hand ein Stück Stoff, das auf dem schmalen Bord hinter der Holzkante lag, und er warf einen flüchtigen, desinteressierten Blick darauf, bevor er es zusammenknüllte.
Einen Moment lang herrschte Stille.
»Haben Sie in Lymington eine Freundin?« fragte Carpenter.
»Kann sein.«
»Darf ich fragen, wie sie heißt? Ihr Agent nannte einen Namen. Er sagte, sie hieße Bibi oder Didi.«
»Das ist sein Problem.«
Noch mehr als die Freundin interessierte Galbraith im Moment das Stück Stoff, das Harding in seiner Faust zusammengedrückt hatte. Er hatte gesehen, was es war. »Haben Sie Kinder?« fragte er.
»Nein.«
»Hat Ihre Freundin Kinder?«
Keine Antwort.
»Sie haben ein Kinderlätzchen in der Hand«, stellte Galbraith fest. »Es war also vermutlich jemand hier auf dem Schiff, der Kinder hat.«
Harding öffnete seine Finger und ließ das Lätzchen auf die Bank fallen. »Das ist schon ewig her. Ich hab nun mal kein Talent zum Aufräumen.«
Carpenter schlug derart heftig mit der offenen Hand auf den Tisch, daß das Handy und die Whiskyflasche in die Höhe sprangen. »Sie machen mich ärgerlich, Mr. Harding«, sagte er scharf. »Wir führen hier kein Theaterstück auf, um Ihnen Gelegenheit zu geben, sich zu produzieren; es handelt sich um eine Untersuchung über den Tod einer jungen Frau. Also, Sie haben zugegeben, Kate Sumner gekannt und am Morgen vor ihrem Tod gesehen zu haben. Wenn Sie aber tatsächlich nichts darüber wissen, wie es dazu kam, daß die Frau zu einer Zeit, als man sie und ihre Tochter in Lymington vermutete, tot an einem Strand in Dorset lag, würde ich Ihnen raten, unsere Fragen so klar und ehrlich wie möglich zu beantworten. Lassen Sie mich also die Frage neu formulieren.« Seine Augen wurden schmal. »Haben Sie in letzter Zeit eine Freundin mit einem Kind oder mehreren Kindern zu Besuch an Bord gehabt?«
»Schon möglich«, sagte Harding.
»Was heißt das, schon möglich! Entweder ja oder nein.«
Er gab seine Pose des »Gekreuzigten« auf und sank wieder in sich zusammen. »Ich hab mehrere Freundinnen mit
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