Wellenbrecher
wesentlichen Punkten.
›Ich bin neunzehn Jahre alt und als Friseurin im Salon Get Ahead in der High Street in Lymington beschäftigt. Tony Bridges habe ich vor ungefähr vier Monaten in einer Disco kennengelernt, und er hat mich eine Woche später mit Steven Harding bekannt gemacht. Die beiden sind schon sehr lange befreundet, und Steve wohnt immer bei Tony, wenn er aus irgendeinem Grund nicht auf seinem Boot bleiben kann. Ich habe Steve im Laufe der Zeit recht gut kennengelernt. Mehrere meiner Freundinnen interessieren sich für ihn, aber er will sich nicht binden und neigt dazu, enge Beziehungen zu vermeiden. Er sieht gut aus, und da er außerdem noch Schauspieler ist, werfen sich ihm die Mädchen förmlich an den Hals. Zu mir hat er einmal gesagt, daß er glaubt, sie sehen ihn als Sexprotz, und daß ihm das echt zuwider ist. Ich weiß, daß er in dieser Hinsicht eine Menge Ärger mit Kate Sumner hatte. Er war einmal nett zu ihr, und danach hat sie ihn nicht mehr in Ruhe gelassen. Er sagte, seiner Meinung nach sei sie einsam, aber das gäbe ihr noch lange nicht das Recht, ihm das Leben zur Hölle zu machen. Es wurde so schlimm, daß er sich versteckte, wenn wir weggingen, und Tony und ich erst nachsehen mußten, ob sie in der Nähe war. Ich glaube, sie war psychisch gestört. Sie hat doch sogar die schmutzigen Windeln ihrer Tochter an seinem Auto abgewischt! Ich fand das wirklich widerlich und habe damals zu Steve gesagt, er solle sie bei der Polizei anzeigen.
Am Wochenende des 9. und 10. August habe ich Steve nicht gesehen. Ich bin am Samstag nachmittag um halb fünf zu Tony gekommen, und wir sind dann etwa um halb acht zum Jamaica Club in Southampton gefahren. Wir gehen da oft hin, weil Daniel Agee ein super DJ ist und wir seinen Stil echt mögen. Am Sonntag bin ich bis zehn Uhr abends bei Tony geblieben, dann bin ich nach Hause gefahren. Ich wohne in der Shorn Street 67 in Lymington, im Haus meiner Eltern, aber die meisten Wochenenden übernachte ich bei Tony Bridges, und manchmal auch während der Woche. Ich mag Steve Harding sehr und glaube nicht, daß er mit Kate Sumners Tod etwas zu tun hat. Er und ich verstehen uns wirklich gut.‹
Superintendent Carpenter wartete schweigend, während John Galbraith die drei Protokolle las.
»Was halten Sie davon?« fragte er, als Galbraith fertig war. »Klingt Hardings Geschichte wahr? Ist das eine Kate Sumner, die Sie wiedererkennen?«
Galbraith schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ich habe mir noch keine genaue Meinung über sie gebildet. Sie war ähnlich wie Harding eine Art Chamäleon, spielte verschiedenen Leuten verschiedene Rollen vor.« Er überlegte einen Moment. »Eines, denke ich, läßt sich zu Hardings Verteidigung sagen - wenn sie jemanden gegen sich aufbrachte, dann tat sie es gründlich. Mit anderen Worten, sie ist den Leuten wirklich auf die Nerven gegangen. Haben Sie die Aussagen gelesen, die ich Ihnen geschickt habe? Ihre Schwiegermutter konnte sie nicht ausstehen, und Wendy Plater, Williams Ex-Freundin, die von Kate aus dem Rennen geworfen wurde, mochte sie genausowenig. Man könnte natürlich argumentieren, daß es in beiden Fällen wahrscheinlich nichts als schlichte Eifersucht war, aber ich hatte den Eindruck, daß da doch etwas mehr dahintersteckte. Sie verwendeten beide dasselbe Wort, um sie zu beschreiben. Manipulativ. Angela Sumner bezeichnete sie als die egozentrischste und berechnendste Frau, die ihr je begegnet wäre, und die Freundin sagte, Kate sei eine Lügnerin gewesen. William hat uns gesagt, sie hätte genau gewußt, was sie wollte, und ihn gleich bei ihrer ersten Begegnung um den Finger gewickelt.« Er zuckte die Achseln. »Ob all das besagt, daß sie eine Frau war, die einem Mann auflauerte, wenn sie was von ihm wollte, weiß ich nicht. Ich hätte ihr solche Unverfrorenheit eigentlich nicht zugetraut, aber« - er breitete ratlos die Hände aus - »in ihrem Streben nach einem komfortablen Lebensstil war sie ja auch ziemlich unverfroren.«
»Ich hasse solche Fälle, John«, sagte Carpenter mit echtem Bedauern. »Die arme Frau ist tot, aber ihr Charakter wird verunglimpft werden, ganz gleich, wie man es dreht und wendet.« Er zog das Protokoll von Hardings Aussage über den Schreibtisch zu sich heran und trommelte gereizt mit den Fingern darauf. »Soll ich Ihnen sagen, wonach das hier riecht? Nach der klassischen Rechtfertigung einer Vergewaltigung. › Die wollte es doch gar nichts anders. Hat ja förmlich danach gelechzt.
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