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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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werden, Joe?«
    »Todesurteil. Ich kann es nicht lassen, mir selbst zu helfen in diesem Lande, in dem du keine Hilfe findest. Die Mac Leans sind jedenfalls weg. Die Sorge wird Queenie nicht mehr haben.«
    »Was meinst du, Joe? Wenn ich erst das kanadische Bürgerrecht habe – kann ich wiederkommen?«
    »Ja, dann ist’s leichter für dich, uns zu besuchen. Ich meine, Queenie und Hanska zu besuchen.«
    »Joe, ich sage nicht ›besuchen‹, ich sage ›kommen‹. Heute bin ich zu Besuch da, illegal über die Grenze, unterwegs nicht aufgehalten – wer kümmert sich schon um einen einzelnen Reiter – hier verstecke ich mich bei dir bis zur nächsten Nacht – «
    »Gut, Yellow Cloud.«
    »Aber was ich mit dir beraten wollte, Joe: Kann ich als kanadischer Bürger später hierher zurückkommen und wieder bei euch leben?«
    Da Joe keine Zigarette bei sich hatte, kaute er an Kiefernnadeln.
    »Kannst du. Aber du hast deine Rechte als Stammesangehöriger verloren. Du bekommst kein Freiland, und du mußt Steuern zahlen.«
    »Wenn schon. Dafür brauche ich nicht auf Leute zu schießen, die ich nicht töten will. Wir haben es schon richtig gemacht, Joe, damals. Falls mich hier später ein Rancher nimmt, kann ich als Cowboy arbeiten – mit meiner Frau zusammen.«
    »Queenie wird froh um dich sein. Gerald allein ist zuwenig.«
    »Was heißt Queenie? Du nicht?«
    »Robert, Wunder geschehen selten.«
    »Du würdest uns also aufnehmen?«
    »Das fragst du noch! Dann holen wir uns die Büffel wieder. Carr sitzt nicht ewig auf seinem Amtsstuhl hier.«
    »Ho-je!«
    »Was tust du jetzt in Canada? Du hast lange nicht geschrieben.«
    »Waldbrände bekämpfen, beim Schwiegervater arbeiten, den Rodeoreiter machen. Ich will wieder hierher zu euch, das Heimweh frißt mich auf. Deshalb mußte ich dich sprechen.«
    »Du bist noch zur rechten Zeit gekommen, Yellow Cloud.« Die beiden jungen Männer blieben beieinander sitzen, schauten nach den Weißen Felsen, darüber hinweg ins Grenzenlose der Dunkelheit und ließen hin und wieder ein Wort fallen. Endlich gingen sie hinunter zu den Pferden, die Robert einzeln begrüßte, nachdem er das seine mit in die Koppel gegeben hatte. Wo würde der Gast übernachten und sich den kommenden Tag über aufhalten?
    »Im Blockhaus, Joe. Da bin ich daheim. Wie geht es Hanska?«
    »Gut. Keine Sorgen.«
    Die beiden traten in das Blockhaus ein. Es war leer, weil es sich in der Zeit der übermäßigen Hitze im Zelt besser schlafen ließ. Aber sie hatten die Schwelle noch nicht überschritten, als ein Junge aus dem Tipi über die Wiese heranstürzte und mit in das Blockhaus schlüpfte. Hanska begrüßte Robert, mit dem er vor fast einem Jahr die Büffel getrieben hatte. In dieser Nacht schliefen die drei nicht. Dafür blieb am kommenden Tag noch Zeit genug.
     
    Am nächsten Vormittag saß Chester Carr, wie gewohnt, im weißen Hemd, mit der gestreiften Krawatte, im Armstuhl hinter dem Dienstschreibtisch und erledigte die Amtsgeschäfte des regierenden Vaters der Reservation. Die Luftfilter waren angeschaltet; in den Büroräumen herrschte eine gemäßigte Temperatur. Dennoch fühlte Chester immer wieder Schweiß auf der Stirn, zog das Taschentuch und wischte die Tropfen fort, ehe sie abwärts zu sickern begannen. Sein Kreislauf war gestört, der Pulsschlag ging etwas zu rasch. Carr konnte sich nur mit Mühe auf die Vorlagen aus Ökonomie und Wohlfahrtspflege konzentrieren. Der gewaltsame Tod des alten Mac Lean hatte ihn aufgestört und ließ ihm noch immer keine Ruhe. Philip Mac Lean von einem Indianer ermordet!
    Auf Carrs Reservation.
    Es blieb unfaßlich und erschreckend.
    Im Vorzimmer entstand Unruhe. Chester vernahm einige Geräusche sogar durch die gepolsterte Doppeltür hindurch. Jedwede Unordnung war ihm in diesen Tagen besonders bedenklich und verhaßt. Er klingelte.
    Fast in dem gleichen Moment wurde die Tür um einen Spalt geöffnet, ein Schreckensschrei der Sekretärin drang zu dem Mann hinter dem Schreibtisch durch. Die Tür wurde mit Gewalt ganz aufgerissen.
    Clyde Carr betrat das Dienstzimmer des Vaters, schlug die Tür hinter sich zu, stellte sich mit dem Rücken dagegen und richtete den Revolver auf Chester Carr.
    »Mister Carr«, sagte er in sachlichem Ton, »rufen Sie sofort Ihre Sekretärin an und sagen Sie ihr, daß Sie in der nächsten halben Stunde unter keinen Umständen gestört werden möchten. Ich bin zu allem entschlossen.«
    Carr hob langsam die Hand, legte sie langsam um den Hörer,

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